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Wurst spielt in der deutschen Kultur eine große Rolle. Durch eine veränderte Ernährung essen die Deutschen heute aber weniger davon. Um dem zu entgegnen, muss sich die Wurst neu erfinden.
Dass zum täglich Brot auch die Wurst gehört, galt in Deutschland lange als alternativlos. Heute ist der Markt im besten Wortsinn gesättigt und die Wurst hat, etwa durch pflanzliche Fleischersatzprodukte, mächtig Konkurrenz bekommen – nicht zuletzt durch den „Tabubruch“ mancher Wurstproduzenten, die sich mit eigener Pflanzen-Wurst einen Teil des boomenden Veggie-Geschäfts sichern wollen. Kein Wunder also, dass der Pro-Kopf-Verzehr von Wurst nach Angaben des Deutschen Fleischer-Verbands seit Jahren leicht, aber kontinuierlich sinkt.
Rund 1.500 Wurstsorten auf dem Markt
Trotzdem: Deutschland bleibt ein Wurstland. Die Hersteller haben die Herausforderung angenommen und wollen mit vielfältigen Konzepten neue Impulse setzen. Laut des Deutschen Fleischer-Verbands sind aktuell rund 1.500 verschiedene Wurstsorten auf dem Markt. Damit zeigt er sich ausgesprochen vielfältig und innovationsstark. Laut einer Studie des Kollagendarm-Herstellers Devro kamen allein im Jahr 2015 in Deutschland 231 neue Wurstsorten auf den Markt – so viele wie in keinem anderen Land der Welt.
Innovationen als Spiegel der Gesellschaft
Die Gründe für diesen starken Innovationsschub erklärt Klaus Ahrens, Geschäftsführer Marketing und Produktentwicklung bei Reinert: „Innovationen sind seit jeher Wachstumstreiber im Handel. Sie sind zudem auch immer ein Spiegel gesellschaftlicher Trends, die sich im Konsumverhalten ausdrücken. Unser Ziel ist es, diese aktuellen Bedürfnisse früh zu erkennen und ein entsprechendes Angebot bereitzustellen.“
Premium ist angesagt
Wie sich moderne Konsumentenbedürfnisse in innovative Produkte übersetzen lassen, zeigt die Trendabfrage bei den Herstellern. Klaus Ahrens von Reinert beobachtet etwa eine „deutlich spürbare“ Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Premium- und Spezialitäten-Produkten, etwa italienischen Spezialitäten von Rovagnati, Italiens Kochschinken-Hersteller Nummer 1, oder Trüffel-Salami. „Verbraucher genießen bewusster und fragen nach besonderen Qualitäten. Wir sehen hier einen Zusammenhang mit dem Trend selber zu kochen und sich von Koch-Shows mit aufwendigen und raffinierten Gerichten inspirieren zu lassen.“ Zudem stünden fettreduzierte und extra magere Varianten, wie die um 30 Prozent fettreduzierte „Sportsalami“ des Unternehmens, hoch im Kurs: „Hier gibt es noch viel Potenzial“.
Flexitarier als Zielgruppe interessant
Auch Nischen sind für die Hersteller interessant. So werden zunehmend laktose- und glutenfreie sowie halale oder koschere Produkte angeboten. Mit Bio-Qualität und nachhaltiger Erzeugung - Stichwort Tierwohl – wollen die Hersteller dagegen verlorenes Terrain zurückerobern. Viele der sogenannten Flexitarier verzichten nämlich aus ökologischen oder moralischen Gründen auf Fleisch. So hat sich etwa Bell durch die Übernahme der auf die Produktion von hochwertigen Geflügelprodukten spezialisierten Huber-Gruppe „den Zugang zu Bio-Geflügelfleisch aus eigener Herstellung gesichert“. Damit sollen die nachgefragtesten ZIMBO-Produkte in den Segmenten Pökelware, Brühwurst und Rohwurst künftig auch in Bio-Geflügel-Qualität erhältlich sein.
Innovative Verpackungen setzen Impulse
Die Megatrends Convenience und To-go greift die Branche vor allem mit innovativen Verpackungskonzepten auf. „Der Verzehr unterwegs ist weiterhin ein großes Thema“, sagt Lothar Bentlage, Geschäftsleiter Vertrieb bei Rügenwalder Mühle. „Hier sind Produkte wichtig, die sich ohne großen Aufwand transportieren lassen.“ So bietet das Unternehmen Würstchen im Becher an, die ohne Wurstwasser verpackt sind. Zudem bietet der Hersteller Teewurst im Becher an, bei deren Verzehr im Gegensatz zur klassischen Variante die Hände sauber bleiben sollen.
Ansprache der Singlehaushalte
Impulse durch innovative Verpackungen setzt auch Bell: „Moderne Verpackungskonzepte erhöhen den Premiumanspruch der Produkte und gehen auch auf kleine Verzehrmengen ein“, erklärt Stephan Holst, Bereichsleiter Marketing / Kommunikation bei Bell Deutschland. Der Hersteller folge dieser Entwicklung „zum einem mit einer Faltpackung, die den Trend zu kleineren Haushalten aufgreift, zum anderen mit einem Ovaltray für eine geschmackvolle Produktpräsentation.“
Traditionsprodukte nach wie vor beliebt
Doch ob im Becher, als fettarme Variante oder in Bio-Qualität: An den Geschmacksvorlieben der Deutschen rütteln die meisten Innovationen nicht. Aus gutem Grund, denn vor allem mit regionalen Wurstsorten sind viele Konsumenten emotional eng verbunden. „Traditionelle Wurstwaren spielen nach wie vor eine große Rolle“, sagt etwa Klaus Ahrens von Reinert. „Verbraucher suchen nach Authentizität und Regionalität und halten an vertrauten Marken fest.“ Auch Rügenwalder Mühle sieht traditionelle Sorten weiter als „Garanten für stabile Umsätze“. Auf der Produktebene beobachte der Hersteller jedoch eine „leichte und langsame Verschiebung von Artikeln wie der Teewurst oder Pommerschen Gutsleberwurst hin zu leichteren Produkten wie dem Mühlen Schinken.“
Wurstwaren haben Zukunft
Und wie geht es in Zukunft weiter? Hier geben sich die Hersteller optimistisch. „Wurstwaren liefern B-Vitamine, Mineralstoffe und Eisen und haben so einen sinnvollen Platz in einer ausgewogenen Ernährung“, sagt etwa Klaus Ahrens von Reinert. Lothar Bentlage von Rügenwalder ergänzt: „Wurst ist einfach ein leckeres Lebensmittel, das viele Verbraucher schon seit Kindertagen kennen und schätzen. Klassische Wurst wird daher auch weiterhin ihren Platz finden.“