Foto: stock.adobe.com/Карина Клачук
Lange wurden Hülsenfrüchte als Arme-Leute-Essen verschmäht. Doch zahlreiche Foodtrends haben Bohnen, Linsen und Co. nun zu einer neuen Beliebtheit verholfen.
Sie haben so klangvolle Namen wie Feuerbohne, Adzukibohne oder Edamame und regen mit ihren vielen Farbschattierungen den Appetit an: Hülsenfrüchte liegen im Trend und sind schon längst kein Schwerpunktthema des Fachhandels mehr. Rezepte aus Südamerika oder Südasien werden hierzulande mit der gleichen Selbstverständlichkeit gekocht wie Leberknödel mit Sauerkraut oder Bratkartoffeln mit Spiegelei. Und mit diesen neuen Foodtrends haben auch Bohnen, Linsen und Co. vermehrt Einzug in die Küchen der Verbraucher erhalten.
Fusion der Länderküchen
Die Experimentierfreude mit Rezepten aus aller Welt beschreibt die österreichische Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler als Fusion, als «kulinarische Globalisierung unseres Alltags.» Viele Menschen experimentierten gerne mit unterschiedlichen Küchen. Fusionsgerichte folgten oft dem «Plant-based-Food-Trend», wie die Trendforscherin in ihrem Foodreport 2023 schreibt: «Gerichte aus Hülsenfrüchten, wie Hummus, oder unterschiedlichen Getreidearten mit exotischen Aromen, wie Couscous, machen es auch Fleischliebhabern leichter, auf vegetarische Speisen umzusteigen.» Immer mehr Menschen möchten sich gesund und abwechslungsreich ernähren. Die Zahl derer, die sich überwiegend fleischlos ernähren, nimmt stetig zu. Die gesundheitlichen Vorteile von Hülsenfrüchten zahlen auf diese Entwicklung ein: Sie enthalten viel Eiweiss, Ballaststoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe und verfügen über einen nur geringen Fettanteil. «Kein anderes pflanzliches Lebensmittel enthält so viel Protein wie Hülsenfrüchte. In getrocknetem Zustand beträgt der Proteingehalt 20 bis 35 Prozent», schreibt das Bundeszentrum für Ernährung.
Reich an Eiweiss und Vitaminen
Lupinen zum Beispiel, die zu den sogenannten Schmetterlingsblütlern zählen, haben sogar einen Eiweissanteil von 40 Prozent. Essbar sind nur die Samen der Süsslupinen; Bitterlupinen enthalten laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) giftige Alkaloide, die Schwindel, Herzrasen und in hohen Dosen zu Herzstillstand und Atemlähmung führen. Die meisten Hülsenfrüchte enthalten laut dem Bundeszentrum für Ernährung weniger als zwei Gramm Fett pro 100 Gramm, jedoch grosse Mengen an Ballaststoffen: «Allerdings schwanken die Werte stark, je nachdem, ob es sich um geschälte oder ungeschälte Samen handelt.» Hülsenfrüchte sind ausserdem reich an B-Vitaminen wie Thiamin, also Vitamin B1, Riboflavin, dem Vitamin B2 und Folsäure. Ein Nachteil sei, dass sie aufgrund der langen Kochzeit nach dem Garen kaum noch hitzeempfindliche Vitamine wie B-Vitamine enthielten. Diesem Defizit könne man durch die Kombination mit frischem Gemüse wie Paprika, Sellerie und Möhren entgegenwirken. «Der Trend einer gesunden Ernährung nimmt immer weiter zu», sagt Joachim Mann, Marketingleiter bei Seeberger. «Entsprechend hat sich auch die Rolle der Hülsenfrüchte verändert.»
Alternative zu glutenfreier Pasta
Eine Entwicklung, die man auch bei Iglo beobachtet: «Die Hülsenfrüchte haben in den letzten Jahren einen wahren Imagewandel vom schwer verdaulichen Arme-Leute-Essen zum leckeren und gesunden heimischen Superfood hingelegt», sagt Henrik
Boermans, Marketing Director bei Iglo. Der Hersteller bietet mit der Range «Veggie Love» mehrere Produkte mit Kichererbsen, Bohnen, Linsen und Sojabohnen an. In ihren Ursprungsländern seien Hülsenfrüchte ein essenzielles Grundnahrungsmittel, da sie reich an Eiweiss, Vitaminen und Mineralstoffen seien und so viel Protein enthielten wie kein anderes pflanzliches Lebensmittel. In der Landwirtschaft trügen sie ausserdem zu einem gesunden, fruchtbaren Boden und damit zum Klimaschutz bei. «Pasta aus Hülsenfrüchten und Risoni aus Hülsenfrüchten bieten auch eine tolle Alternative zu klassischer glutenfreier Pasta, insbesondere um mehr Varianz in die Ernährung von Zöliakie-Erkrankten zu bringen», sagt Fabian Gentgen, Head of Trade Marketing bei Barilla Deutschland. Das Start-up Just Taste baut einen grossen Teil seines Sortiments auf Nudeln aus Hülsenfrüchten auf, die mit ihren Violett-, Grün- und Schwarz-Tönen für einen Blickfang im Regal sorgen: etwa Bio Lila Süsskartoffel Fettuccine oder Bio Edamame Spaghetti. «Heute gelten Hülsenfrüchte als Grundpfeiler einer gesunden und ausgewogenen Ernährung, was nicht zuletzt mit den hervorragenden Nährwerten zu tun hat», sagt Jörg Brautschek, Geschäftsführer von Just Taste. Wie sich die Umweltbilanz von Nudeln aus Hülsenfrüchten gegenüber einem Produkt aus Weizen gestaltet, ist von der Herkunft der Rohstoffe und der Produktion abhängig. «Unsere Pasta ist ein klimaneutrales Produkt, da Just Taste den CO2-Fussabdruck von Anbau, Produktion und Transport kompensiert», erläutert Brautschek.
Neue Verwendungsanlässe
Müller´s Mühle bietet ein umfangreiches Sortiment an Bohnen, Linsen und anderen Hülsenfrüchten an. «Durch neue Trends und neu aufkommende Anlässe ergeben sich vielzählige neue Verwendungsanlässe für Hülsenfrüchte», sagt Eva Hunsinger, Head of Key Account Management. Der Hersteller hat verschiedene Produkte aus Hülsenfrüchten entwickelt wie Couscous aus Kichererbsen und Nudeln aus Hülsenfrüchten. «Zukünftig kann das Hülsenfruchtsortiment durch conveniente Produkte sinnvoll erweitert werden», ist Hunsinger überzeugt. Snackhersteller Intersnack hat Hülsenfrüchte inzwischen fest im Snack-Regal etabliert: Zum Sortiment gehören Linsen- und inzwischen auch Kichererbsen-Chips. Mittlerweile ist das Portfolio der Linsen- und Kichererbsen-Produkte von funny-frisch nach Angaben des Unternehmens die zweitstärkste Range im Umsatz hinter Chipsfrisch.
Hülsenfrüchte haben nicht nur den kulinarischen Horizont vieler Hobbyköche erweitert, sondern auch ganze Kategorien verändert: Pasta-Hersteller Barilla hat 2019 eine innovative Pasta-Range auf der Basis von Hülsenfrüchten eingeführt. Die Fusilli, Spaghetti und Casarecce werden zu 100 Prozent aus roten Linsen beziehungsweise Kichererbsen hergestellt. «Produkte aus Hülsenfrüchten sprechen vor allem Menschen an, die sich abwechslungsreich, bewusst aber auch pflanzenbasiert ernähren möchten», sagt Gentgen.
Bohnen und Co. standen lange im Ruf, ein wenig kompliziert zu sein – immerhin müssen sie zwölf Stunden eingeweicht und mehrere Stunden gekocht werden, damit sie geniessbar sind. Vielleicht hat es deshalb bis zur Wiederentdeckung der Hülsenfrüchte ein wenig gedauert.