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Die Verbraucher greifen immer seltener zum Bier. Neue Bierstile und Konzepte sind dabei eine Antwort, um den rückläufigen Markt auf Vordermann zu bringen. Fakten und Daten.
Nach vielen Jahren des Abwärtstrends hatten die deutschen Brauer 2014 wieder Grund zum Jubeln: Nach vorläufigen Schätzungen des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum von Bier (alkoholhaltig und alkoholfrei) im vergangenen Jahr bei 107 Litern und hat damit gegenüber dem Vorjahr erstmals seit Jahren wieder leicht angezogen. Der Anstieg ist laut dem DBB auf das stabile Konsumklima, dem relativ kurzen Winter in Kombination mit einem schönen Frühjahr sowie dem Umsatzimpuls durch die vergangene Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien zurückzuführen.
Gesellschaftlicher Wandel
Dies ist jedoch kein Grund zum Zurücklehnen. „Langfristig betrachtet verliert der Biermarkt in Deutschland ein Volumen von fast einer Million Hektolitern jährlich“, sagt Oliver Bartelt von Anheuser-Busch InBev Deutschland. Denn die zwei Hauptgründe für den rückläufigen Bierkonsum bleiben nach wie vor aktuell: die demographische Entwicklung und die veränderten Konsumgewohnheiten. „Eine älter werdende Bevölkerung konsumiert weniger alkoholhaltige Getränke“, sagt Dr. Franz-J. Weihrauch von der Krombacher Brauerei. Hinzu komme ein verändertes Freizeitverhalten und ein verändertes Bewusstsein hinsichtlich dessen, was konsumiert wird, so der Unternehmenssprecher weiter. Heineken macht zudem das insgesamt breite Angebot an alkoholischen Getränken für den schwierigen Stand des Bieres verantwortlich. Denn, wenn der Verbraucher die Wahl hat, hat er bekanntlich auch die Qual.
Erfolgreiche Spezialitäten
Was also tun? Aus der Not eine Tugend machen heißt die Devise der Brauer. Sie verstehen den gesellschaftlichen Wandel als Chance – für neue Zielgruppen, neue Geschmacksvorlieben und Verzehranlässe. „Wir können im rückläufigen Markt wachsen und Volumen und Marktanteile gewinnen. Wir müssen bloß die richtigen Antworten auf die Markttrends und Herausforderungen finden und die Chancen nutzen, die wir identifiziert haben“, sagt Oliver Bartelt. Bei Warsteiner heißt die Strategie deshalb beispielsweise „Produktvielfalt“ mit Varianten wie Herb, Radler, Alkoholfrei und Herb Alkoholfrei, um für alle Bedürfnisse gerüstet zu sein. „Vor allem unser alkoholfreies Sortiment profitiert vom Verbrauchertrend zu höherem Gesundheits- und Ernährungsbewusstsein“, sagt Nils Handke, Vertriebsdirektor Handel Warsteiner Gruppe. So haben sich alkoholfreie Biere mit einem Anteil von zirka fünf Prozent am Gesamtbiermarkt in den letzten Jahren zum Wachstumssegment entwickelt. Das spüren auch die Mitbewerber aus Bitburg. „Mit unserer isotonischen Produktreihe Bitburger 0,0% haben wir im vergangenen Jahr ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich erzielt. Für Menschen, die verstärkt auf Fitness und ihre Ernährung achten, sind das die passenden Erfrischungsgetränke“, sagt Dr. Werner Wolf, Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Braugruppe. Darüber hinaus hat das Unternehmen zuletzt zahlreiche Spezialitäten eingeführt: Köstritzer Kellerbier, Köstritzer Meisterwerke mit den zwei Sorten Pale Ale und Witbier sowie Licher Original 1854 Naturtrüb. 2015 wurde direkt mit Wernesgrüner 1436 und Licher Natur-Radler nachgelegt. Ein Red Lager unter der Range Köstritzer Meisterwerke soll folgen.
Gesundheit und Premium
Heineken hingegen fährt mit seinem internationalen Marken-Portfolio eine konsequente Premium-Strategie, die sich in den Marken, ihrem Preisgefüge und der Marken-Kommunikation wiederspiegelt. Und: auf Abgrenzung zum Mitbewerber. „Sowohl mit der Marke Heineken als auch mit unserem Desperados-Tequila flavoured Beer setzen wir auf Produkt- und Gebinde-Innovationen, mit denen wir uns vom Wettbewerb differenzieren“, heißt es aus dem Hause. Auch für Anheuser-Buch Inbev liegt die Zukunft des Biermarktes im Bereich Premium. „Premiummarken sind neben alkoholfreien Bieren der zweite Wachstumsbereich innerhalb des Biermarktes. Es wird zwar insgesamt weniger getrunken, aber dafür sind die Menschen bereit, Geld auszugeben, um ein hochqualitatives Markenerlebnis zu haben“, so Oliver Bartelt.
Lockende Impulse
Genau hier kommt der Handel ins Spiel, der an letzter Stelle der Wertschöpfungskette mit dem Endverbraucher interagiert. Er muss jetzt für das richtige Einkaufserlebnis sorgen und den Absatz auf diese Weisen pushen. „Richtig platziert, ergeben sich Win-Win-Situationen für beide Partner“, sagt Nils Handke von Warsteiner. Dazu gehört, saisonale Sorten sowie attraktive Promotionaktionen in der Warenpräsentation stärker zu berücksichtigen. Heineken wünscht sich wiederum „ein ähnliches Category-Presenting wie bei Wein mit hochwertigen Ausstattungen und Kühlmöglichkeiten“. Außerdem sollte Neuheiten und Spezialitäten entsprechender Platz eingeräumt werden. Und wenn dann noch mit spannenden Zweitplatzierungen gearbeitet wird, steht einem guten Bierjahr 2015 nichts mehr im Wege.