Bier: Auf Kurs bringen

Donnerstag, 02. April 2015
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Die Verbraucher greifen immer seltener zum Bier. Neue Bierstile und Konzepte sind dabei eine Antwort, um den rückläufigen Markt auf Vordermann zu bringen. Fakten und Daten.

Nach vielen Jahren des Abwärtstrends hatten die deutschen Brauer 2014 wieder Grund zum Jubeln: Nach vorläufigen Schätzungen des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum von Bier (alkoholhaltig und alkoholfrei) im vergangenen Jahr bei 107 Litern und hat damit gegenüber dem Vorjahr erstmals seit Jahren wieder leicht angezogen. Der Anstieg ist laut dem DBB auf das stabile Konsumklima, dem relativ kurzen Winter in Kombination mit einem schönen Frühjahr sowie dem Umsatzimpuls durch die vergangene Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien zurückzuführen.

Gesellschaftlicher Wandel

Dies ist jedoch kein Grund zum Zurücklehnen. „Langfristig betrachtet verliert der Biermarkt in Deutschland ein Volumen von fast einer Million Hektolitern jährlich“, sagt Oliver Bartelt von Anheuser-Busch InBev Deutschland. Denn die zwei Hauptgründe für den rückläufigen Bierkonsum bleiben nach wie vor aktuell: die demographische Entwicklung und die veränderten Konsumgewohnheiten. „Eine älter werdende Bevölkerung konsumiert weniger alkoholhaltige Getränke“, sagt Dr. Franz-J. Weihrauch von der Krombacher Brauerei. Hinzu komme ein verändertes Freizeitverhalten und ein verändertes Bewusstsein hinsichtlich dessen, was konsumiert wird, so der Unternehmenssprecher weiter. Heineken macht zudem das insgesamt breite Angebot an alkoholischen Getränken für den schwierigen Stand des Bieres verantwortlich. Denn, wenn der Verbraucher die Wahl hat, hat er bekanntlich auch die Qual.  

Erfolgreiche Spezialitäten

Was also tun? Aus der Not eine Tugend machen heißt die Devise der Brauer. Sie verstehen den gesellschaftlichen Wandel als Chance – für neue Zielgruppen, neue Geschmacksvorlieben und Verzehranlässe. „Wir können im rückläufigen Markt wachsen und Volumen und Marktanteile gewinnen. Wir müssen bloß die richtigen Antworten auf die Markttrends und Herausforderungen finden und die Chancen nutzen, die wir identifiziert haben“, sagt Oliver Bartelt. Bei Warsteiner heißt die Strategie deshalb beispielsweise „Produktvielfalt“ mit Varianten wie Herb, Radler, Alkoholfrei und Herb Alkoholfrei, um für alle Bedürfnisse gerüstet zu sein. „Vor allem unser alkoholfreies Sortiment profitiert vom Verbrauchertrend zu höherem Gesundheits- und Ernährungsbewusstsein“, sagt Nils Handke, Vertriebsdirektor Handel Warsteiner Gruppe. So haben sich alkoholfreie Biere mit einem Anteil von zirka fünf Prozent am Gesamtbiermarkt in den letzten Jahren zum Wachstumssegment entwickelt. Das spüren auch die Mitbewerber aus Bitburg. „Mit unserer isotonischen Produktreihe Bitburger 0,0% haben wir im vergangenen Jahr ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich erzielt. Für Menschen, die verstärkt auf Fitness und ihre Ernährung achten, sind das die passenden Erfrischungsgetränke“, sagt Dr. Werner Wolf, Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Braugruppe. Darüber hinaus hat das Unternehmen zuletzt zahlreiche Spezialitäten eingeführt: Köstritzer Kellerbier, Köstritzer Meisterwerke mit den zwei Sorten Pale Ale und Witbier sowie Licher Original 1854 Naturtrüb. 2015 wurde direkt mit Wernesgrüner 1436 und Licher Natur-Radler nachgelegt. Ein Red Lager unter der Range Köstritzer Meisterwerke soll folgen.

Gesundheit und Premium

Heineken hingegen fährt mit seinem internationalen Marken-Portfolio eine konsequente Premium-Strategie, die sich in den Marken, ihrem Preisgefüge und der Marken-Kommunikation wiederspiegelt. Und: auf Abgrenzung zum Mitbewerber. „Sowohl mit der Marke Heineken als auch mit unserem Desperados-Tequila flavoured Beer setzen wir auf Produkt- und Gebinde-Innovationen, mit denen wir uns vom Wettbewerb differenzieren“, heißt es aus dem Hause. Auch für Anheuser-Buch Inbev liegt die Zukunft des Biermarktes im Bereich Premium. „Premiummarken sind neben alkoholfreien Bieren der zweite Wachstumsbereich innerhalb des Biermarktes. Es wird zwar insgesamt weniger getrunken, aber dafür sind die Menschen bereit, Geld auszugeben, um ein hochqualitatives Markenerlebnis zu haben“, so Oliver Bartelt.

Lockende Impulse

Genau hier kommt der Handel ins Spiel, der an letzter Stelle der Wertschöpfungskette mit dem Endverbraucher interagiert. Er muss jetzt für das richtige Einkaufserlebnis sorgen und den Absatz auf diese Weisen pushen. „Richtig platziert, ergeben sich Win-Win-Situationen für beide Partner“, sagt Nils Handke von Warsteiner. Dazu gehört, saisonale Sorten sowie attraktive Promotionaktionen in der Warenpräsentation stärker zu berücksichtigen. Heineken wünscht sich wiederum „ein ähnliches Category-Presenting wie bei Wein mit hochwertigen Ausstattungen und Kühlmöglichkeiten“. Außerdem sollte Neuheiten und Spezialitäten entsprechender Platz eingeräumt werden. Und wenn dann noch mit spannenden Zweitplatzierungen gearbeitet wird, steht einem guten Bierjahr 2015 nichts mehr im Wege.

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Interview

Marc-Oliver Huhnholz ist Pressesprecher und Referent für politische Kontakte des Deutschen Brauer-Bundes

Herr Huhnholz, der Biermarkt ist seit Jahren rückläufig. Wie erklären Sie sich das?
Deutschland ist und bleibt die Biernation der Welt. Doch auch hier verändert sich die Bevölkerungsstruktur genauso wie die klassischen Berufsbilder sowie die Konsum-, Ausgeh- und Lebensgewohnheiten. All diese soziodemographischen Faktoren führen gerade in den westeuropäischen Staaten dazu, dass alkoholische Getränke nicht mehr in dem Ausmaß getrunken werden wie noch in der letzten beziehungsweise vorletzten Generation.

Welche Chancen sehen Sie bei Craft-Bieren und anderen Spezialitäten?
Wir begrüßen den Trend zu Craft-Bieren und anderen Bierspezialitäten, denn er lenkt den Blick auf den Ursprung der deutschen Braukultur. Craft-Biere wurden in Deutschland schon gebraut, als dieser Begriff in den USA noch ein Fremdwort war. Deutschland ist weltbekannt für seine handwerklich gebrauten Biere, für das einzigartige Reinheitsgebot und die Biervielfalt. Angesichts dieser Vielfalt haben es neue Sorten und neue Trends naturgemäß schwer auf dem deutschen Markt. Dennoch werden Craft-Biere auch hier ihre Nische finden.

Wie hoch ist der Marktanteil von Craft-Bieren derzeit?
Mengenmäßig machen diese deutlich unter einem Prozent der in Deutschland produzierten Biermenge aus. Wir stehen gerade erst am Beginn dieser neuen Entwicklung, von der letztlich alle Brauer profitieren können. Es ist eine Chance, die Braukunst und Braukultur, den Biergenuss und die Biervielfalt in Deutschland wieder stärker in den Vordergrund zu rücken durch kreative Premium-Biere. Die Craft-Welle wird dazu beitragen, neue Konsumentenkreise zu erschließen und die Wertschöpfung sowie das Image des Bieres zu steigern.

Gibt es 2015 Anlässe, die den Bierverbrauch in die Höhe treiben können?
Wir setzen auf einen guten Sommer, der viele Möglichkeiten zum gemeinsamen Biergenuss bietet. Gleichsam werden neue Veranstaltungsformate wie Biermessen dafür sorgen, das Bier noch näher an Bierfreunde wie neue Konsumentengruppen heranzubringen.

Was kann der Händler tun, um neue Impulse zu schaffen?
Getränkehändler sollten sowohl neue Biere in ihr Sortiment aufnehmen wie sich auch durch Partner-Brauereien und/oder durch die verschiedensten Bildungseinrichtungen zu Biersommeliers ausbilden lassen. Gemeinsam mit einer höherwertigeren Bierpräsentation in den Verkaufsräumen werden sie es schaffen, die Kunden von der Genussvielfalt deutscher Biere zu überzeugen. 

 

Die bekanntesten Biersorten

Pils
Das Bier nach Pilsener Brauart ist die mit Abstand beliebteste Biersorte Deutschland. Sein Anteil am gesamten Bierausstoß liegt bei mehr als 55 Prozent. Es gärt bei niedrigen Temperaturen und hat einen Alkoholgehalt von ca. 4,8 Volumenprozent.

Export
Export ist ein meist helles, nicht stark gehopftes Bier, aromatisch und sehr vollmundig. Das kommt daher, dass der Gehalt an Stammwürze hoch ist. Er muss mehr als 12,5 Prozent betragen, was einen Alkoholgehalt von vier bis 4,2 Prozent ergibt).

Weizenbier
Weizenbier, auch Weißbier. Hat seinen Ursprung zwar in Bayern, hat sich aber siegessicher durch ganz Deutschland verbreitet. Das obergärige Vollbier hat im Gegensatz zu anderen Bieren einen Weizenmalzanteil von mindestens 50 Prozent.

Alkoholfreies Bier
Ein Bier darf als „alkoholfrei” bezeichnet werden, wenn es maximal 0,5 Prozent Alkohol beträgt. Dazu wird der Gärprozess entweder abgebrochen oder der Alkohol wird dem fertigen Bier nach abgeschlossenem Brauvorgang entzogen.

Bockbier
Die Bezeichnung Bockbier ist in Deutschland geschützt. So darf unter der Bezeichnung nur Starkbier in Verkehr gebracht werden. Und Bockbier hat es in sich: Es kommt auf einen Alkoholgehalt von rund sieben Prozent, der Doppelbock weist noch höhere Werte auf.

Mehr zum Artikel

Seit März gibt‘s von Beck’s die Sorten Pale Ale, 1873 Pils und Amber Lager – alle in unterschiedlicher Brauart und mit sortentypischem Geschmack.

Das limitierte Warsteiner Ginger mit Ingwer-Minzgeschmack (2,5 Prozent Alkohol) orientiert sich an Sommer-Trendgetränken wie Hugo und Inge.

Franziskaner erweitert sein Segment der alkoholfreien Biere um die zwei Sorten Holunder und Zitrone. Sie bestehen aus je 55 Prozent alkoholfreiem Weizenbier und 45 Prozent Erfrischungsgetränk.

Bis Juni trägt die Produktpalette von Heineken den Look der UEFA Champions League.

Desperados Red (5,9 Prozent Alkohol) mit Tequila- und Cachaça-Aromen sowie Guarana-Extrakt wird in der klaren 0,33-Liter-Relief-Flasche im 4-Pack sowie als 0,33-Liter-Dose (Einweg) verfügbar sein.

Licher Natur Radler kombiniert Licher Premium Pilsner mit Zitronenlimonade.

Wernesgrüner 1436 ist eine Hommage an das Gründungsjahr der Brauerei.

Die Landbier-Spezialität Grevensteiner Original gibt es jetzt auch in der 0,33-Liter-Flasche. Im 20er-Mehrwegkasten und Vierer-Basket im Handel erhältlich.

Krombacher Hell ist einer der jüngsten Neuzugänge der Traditionsbrauerei.

Mit Schöfferhofer Grapefruit Alkoholfrei präsentiert Radeberger das Weizen-Mix-Getränk erstmals als alkoholfreie Variante.