Foto: dti - Peter Rees
Seit 1955 gibt es in Deutschland Tiefkühlprodukte zu kaufen. Während die ersten Hausfrauen skeptisch waren, sind die Artikel aus der Truhe heute in nahezu jedem Haushalt zu finden.
Die von Clarence Birdseye erfundene Schockfrostung gehört zu den grössten Erfindungen der Lebensmittelindustrie. Was vor 100 Jahren mit einem Budget von sieben Dollar, einem Ventilator, Eis und Salz begann, brachte eine Branche hervor, die im vergangenen Jahr fast vier Millionen Tonnen abgesetzt und 19 Milliarden Euro erwirtschaftet hat – davon 1,9 Millionen Tonnen und 10,2 Milliarden Euro im Lebensmitteleinzelhandel.
Bis heute gibt es keine schonendere Art, Lebensmittel zu konservieren. Nur maximal drei Stunden vergehen, bis Gemüse vom Feld ins Tiefkühllager gelangt ist. Dort legt die Kälte sämtliche Stoffwechselprozesse in den Zellen lahm, so dass – üblicherweise ganz ohne den Einsatz von Konservierungsstoffen – kein Verderb stattfinden kann und alle Vitamine, Aromen und sekundäre Pflanzenstoffe erhalten bleiben. Und anders als beim Einkochen gehen keine Mineralstoffe und Spurenelemente ins Wasser über, die beim Abschütten im Ausguss landen. Die lange Haltbarkeit erlaubt, sich mit tiefgekühlten Produkten zu bevorraten und sie je nach Bedarf zu verwenden. Auf diese Weise trägt Tiefkühlkost zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung bei.
Steigende Nachfrage
Am 6. März 1930 ging in den USA das erste tiefgekühlte Gemüse über den Ladentisch. Und 25 Jahre später, also 1955, wurden in Deutschland die ersten Tiefkühlprodukte – nämlich Fisch, Fischfilets, Gemüse und Fleisch – im deutschen LEH angeboten. Seitdem ist das Sortiment im Lebensmittelhandel auf rund 11 000 Artikel angewachsen und umfasst nahezu die volle Vielfalt an Lebensmitteln: Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Obst, Gemüse und Kartoffeln – wahlweise schlacht-, fang- beziehungsweise erntefrisch konserviert oder aber zu Snacks, Desserts, Beilagen, Backwaren und fertigen Gerichten weiterverarbeitet.
Mit dem Angebot ist auch die Nachfrage gewachsen. Während in 1960 der Pro-Kopf-Verbrauch pro Jahr bei gerade mal 800 Gramm lag, liegt er heute (2022) bei 47,7 Kilogramm pro Jahr. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist über die Jahre hinweg kontinuierlich gestiegen. Das liegt mit Sicherheit an den Vorteilen, die Tiefkühlkost zu bieten an. Das dti bringt dies wie folgt auf den Punkt: «Tiefkühlkost ist frischer, natürlicher und genussvoller.» Es ist die Haltbarkeit, die einen verantwortungsvollen Genuss garantiert, sowie die Frische, leichte Portionierbarkeit und grosse Sortimentsvielfalt, die den Shopper zugreifen lässt. Das wiederum spiegelt sich in den Umsatzzahlen wider. Während in 2012 der Lebensmittelhandel einen Umsatz von 7,04 Milliarden Euro erwirtschaftete, lag dieser in 2022 bei über zehn Milliarden Euro.
Renner in der Truhe
Zu den Top 3 der umsatzstärksten Kategorien im Zeitraum 2012 bis 2022 gehören Fertiggerichte (3,6 Mio. Euro), Pizza (3,5 Mio. Euro) und Gemüse (3,2 Mio. Euro). Rund sechs Kilogramm tiefgekühlte Fertiggerichte und ebenso 6,2 Kilogramm TK-Gemüse werden in Deutschland pro Kopf und pro Jahr durchschnittlich verzehrt. Die positive Entwicklung kommt nicht von ungefähr: Die Kategorie verbindet par excellence die Vorteile der Tiefkühlkost mit den Vorteilen von Convenience. Ein wahrer Bestseller ist die Pizza. 13,7 TK-Pizzen à 350 Gramm isst laut dti jeder Deutsche durchschnittlich im Jahr, in Kilogramm bedeutet dies einen Pro-Kopf-Verbrauch von 4,8 Kilogramm. Das italienische Nationalgericht verbuchte in 2019 mit 5,9 Prozent das grösste Umsatzplus. Innerhalb des Zeitraumes 2012 bis 2022 hat TK-Pizza unter allen Kategorien mit 35 Prozent das grösste Umsatzplus erzielt. Zu den Spitzenreitern in der Truhe zählen auch die Backwaren (Umsatz 2022: 2,5 Mio. Euro). 10,7 Kilogramm Backwaren werden in Deutschland pro Kopf jährlich gekauft. Besonders stark nachgefragt wurden die Produkte im Jahr 2020, das geprägt war von der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen im öffentlichen Leben. Die Shopper hatten sich mit Brot, Kuchen & Co. für zu Hause eingedeckt. Kartoffelprodukte spielen ebenfalls eine relevante Rolle, fast sechs Kilogramm verzehrt jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr. Sie generierten im Zeitraum 2012 bis 2022 einen Gesamtumsatz von 2,3 Millionen Euro. Hier sind vor allem die Pommes frites die Treiber der Kategorie (Umsatz: 1,8 Mio. Euro, 2012–2022), die fast 80 Prozent des Umsatzanteils ausmachen.
Ausblick
Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Die Hersteller arbeiten an Konzepten, die sich an den aktuellen Bedürfnisse der Verbraucher orientieren. Zu den grössten Herausforderungen gehört, den Hunger der wachsenden Weltbevölkerung zu stillen und die schädlichen Einflüsse von Lebensmitteln entlang der Wertschöpfungskette zu minimieren. Durch seine Haltbarkeit und Portionierbarkeit kann Tiefkühlkost dabei helfen, speziell vegetarische und vegane Produkte werden künftig wichtig. «TK-Fleischalternativen kommen bereits auf 7,3 Prozent Käuferreichweite. Das ist im Vergleich zu 2020 eine Steigerung von 2,3 Prozentpunkten. Vergleichsweise neu sind die Fischersatzprodukte, die in 2020 von 0,8 Prozent aller Haushalte gekauft wurden und 2022 schon 3,1 Prozent Käuferreichweite schafften», so Martin Weiss, Senior Manager GfK Consumer Panels & Services, GfK Deutschland.
Info
Eine kurze Geschichte des Schockfrostens
Von den gefrorenen Fischen der Inuit inspiriert, verfolgte der Biologe Clarence Birdseye 1923 einen Plan: die bisherigen Methoden des Tiefkühlens so zu verbessern, dass die Lebensmittel nach dem Auftauen genauso frisch sind wie zuvor. Mit sieben Dollar, einem Ventilator, Eis und Salz erfand er das Schockfrosten: dabei liegen die verpackten Lebensmittel zwischen Metallplatten mit einem Kältemittel, das diese sehr schnell auf bis zu −40 °C abkühlt. Anschliessend werden sie bei 0 Grad Fahrenheit – minus 18 Grad Celsius – gelagert. Dadurch bleibt das Gefriergut frisch, seine Aromen bleiben erhalten und ist nach dem Auftauen nicht matschig.