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«Frei von»-Produkte bedienen den Verbraucherwunsch, sich möglichst gesund und natürlich zu ernähren. Hauptzielgruppe sind nicht Allergiker, sondern eine gesundheits- und lifestyleorientierte Käuferschaft.
Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, Gluten oder Laktose: Die Liste der «Unzutaten», also Stoffe, die in Lebensmitteln nicht oder nur in reduzierter Menge vorkommen sollten, ist lang. Zumindest aus Sicht der Käufer von als «Frei von» ausgelobten Produkten. Das Segment hat in den vergangenen Jahren in einigen Bereichen ein explosionsartiges Wachstum hingelegt. Etwa bei glutenfreien Süsswaren: Hier ist der Umsatz nach Angaben von Nielsen in Deutschland im Zeitraum 2017 bis 2019 um 88 Prozent von 43,6 Millionen Euro auf 82 Millionen Euro gestiegen.
Allergie nur selten Kaufgrund
Beliebt sind «Frei von»-Produkte besonders in der jungen Zielgruppe: Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Handelsforschung Köln (IFH) in Zusammenarbeit mit Alnavit, ein Tochterunternehmen von Alnatura und Anbieter von «Frei-von»-Produkten in Bio-Qualität, kauft von den 25- bis 29-Jährigen bereits jeder Dritte mindestens einmal im Monat entsprechende Produkte. Grund dafür ist jedoch nur selten eine tatsächliche Unverträglichkeit. Laut IFH-Studie liegt nur bei sieben Prozent der Käufer von glutenfreien Produkten eine diagnostizierte Zöliakie vor. «Die Personengruppe, die auf gluten- und allergenfreie Produkte angewiesen ist, unterscheidet sich von der immer weiter wachsenden Gruppe, die mögichst natürliche Produkte sucht, um sich einfach etwas Gutes zu tun», sagt Thomas Maurer, Leiter Marken-Vertrieb bei Alb-Gold. Die Marke «Seitz glutenfrei» etwa werde nahezu ausschliesslich von Personen mit Glutenunverträglichkeit konsumiert. «Wer sich gesund ernähren möchte, greift eher nicht zu glutenfreien Ersatz-Produkten, sondern zu solchen, die frei von Zusatzstoffen sind und möglichst kurze und nachvollziehbare Zutatenlisten haben», sagt Maurer.
Indiz für Qualität
Zu diesem Ergebnis kommt auch die IFH-Studie: 70 Prozent der «Frei von»-Verwender motiviere eine bewusste, lifestyle- und trendgetriebene Ernährung zum Kauf, wobei cleane und kurze Zutatenlisten ausschlaggebend seien. «Produkte mit kurzen Zutatenlisten und möglichst wenig Zusatzstoffen sind für viele Verbraucher ein gutes Indiz für die Qualität geworden», sagt Stavroula Ekoutsidou, Geschäftsleiterin von Alnavit. Dahinter stehe der Gedanke, dass durch die fortschreitende Industrialisierung bei der Herstellung von Lebensmitteln den Produkten Stoffe hinzugefügt werden, die «wir bei einer frischen Zubereitung nie zu uns nehmen würden», sagt Ekoutsidou.
«Frei von» meint auch Plastik
Auf dem Prüfstand stehen daher neben Gluten oder Laktose vor allem Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker oder Zusatzstoffe. Doch auch Weizen, Zucker oder Verpackungen aus Plastik werden abgestraft: «Beim Thema weizenfrei beobachten wir in den vergangenen Jahren ein exorbitantes Wachstum am Teigwarenmarkt», sagt Thomas Maurer von Alb-Gold. «Immer mehr Menschen wollen auf Weizen, nicht aber auf den gewohnten Pasta-Geschmack verzichten.» Helle Dinkel-Nudeln seien hier die ideale Lösung. Das Thema «Frei von» betreffe aber nicht nur die Zutaten, so der Fachexperte: «Wir erhalten regelmässig Anfragen von Verbrauchern, die sich intensiv mit dem Thema plastikfrei beschäftigen». Dabei werde klar, dass «Frei von» viel weiter geht als nur bis zur Zutatenliste. «Die Shopper wollen ganzheitlich reine Produkte.»
Konsumenten ernst nehmen
«Der Mehrwert dieser Produkte besteht in dem Bewusstsein, ein naturgemässes Leben führen zu können», fasst Ulrike Detmers, Geschäftsführerin von Mestemacher, zusammen. Dabei kann «naturgemäss» für jeden etwas anderes bedeuten. Handel und Hersteller müssten den kritischen Konsumenten aber auf jeden Fall ernst nehmen, wie Viktoria Wegscheider in einem Beitrag für das Zukunftsinstitut schreibt: «Frei von» verblasst schnell zur PR-Methode, wenn Unternehmen normale Produkte in ein Gesundheits-Image tauchen.»
Deklaration oft mangelhaft
Gerade was die Deklaration bestimmter Stoffe angeht, gibt es jedoch Graubereiche. «Für Verbraucher wird es immer schwieriger, die Vielzahl von Auslobungen auf den Verpackungen richtig zu interpretieren», sagt Matthias Bugdahn, Junior Key Account Manager bei Frosta. Viele Aussagen, wie zum Beispiel «Ohne künstliche Aromen» oder «Ohne Geschmacksverstärker» seien reines Marketing, wenn in der Zutatenlistedennoch Aromen, Extrakte oder sonstige geschmacksverstärkende Zusätze enthalten seien. «Hier brauchen wir aus unserer Sicht ein strengeres Lebensmitteldeklarationsrecht, damit Verbraucher die richtige Wahl treffen können», berichtet Bugdahn.
Convenience als Treiber
Was den «Frei von»-Markt künftig antreiben dürfte, ist vor allen Dingen die von Konsumenten gewünschte Reduktion von Salz und Zucker, heisst es bei Alnavit. «Auch der Fettgehalt wird künftig noch stärker hinterfragt werden, was zu Veränderungen der Zutatenlisten führen wird», sagt Stavroula Ekoutsidou. Einer der wichtigsten Kaufaspekte sei laut IFH-Studie zudem die Alltagstauglichkeit der Produkte. «Bis jetzt ist der Convenience-Bereich bei «Frei von» noch überschaubar», sagt Ekoutsidou – «und für uns ein spannendes Segment.»
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