Der Verbraucher will natürlich gut essen. Dennoch ist Bio am POS kein Selbstläufer. Wie Experten die Zukunft der Bio-Produkte einschätzen und warum vor allem regionale Bio-Sortimente Potenzial bieten.
Der Markt für Bioprodukte wächst kontinuierlich. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ist seit 2004 der Bio-Anteil an den Ausgaben für Lebensmittel und Getränke von 1,7 Prozent auf heute 4,0 Prozent gestiegen. Rund 60 Prozent des Bio-Umsatzes werden dabei im Lebensmitteleinzelhandel generiert. Sprich: Bei den Verbrauchern kommen immer mehr ökologische Produkte in den Einkaufswagen. Das bestätigt auch Dr. Wolfgang Adlwarth, Manager Strategic Customer Development und Consumer Panels bei der GfK: „Generell nimmt die Zahl der an Nachhaltigkeit orientierten Verbraucher in Deutschland zu.“
Damit der Handel das Potenzial allerdings für sich nutzen kann, muss er die Zielgruppe kennen. Den Biokäufer nur allein an Äußerlichkeiten wie Jutetasche und Gesundheitsschuhen fest zu machen, funktioniert nicht mehr. Die Zielgruppe ökologisch orientierter Konsumenten ist heute weitaus bunter und vielfältiger als noch zu den Bio-Anfängen.
So hat sich etwa die Gruppe der LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) herausgebildet, die seit einigen Jahren stetig wächst. Laut GfK Consumer Scan gehörten 2013 fast 14 Prozent der Konsumenten dieser Zielgruppe an (2007 waren es neun Prozent). Diese Kerngruppe der LOHAS hat ein hohes Interesse an bewusster Ernährung, Bioprodukten, Fair Trade sowie regionalen Waren. Auch die sogenannte LOHAS- Randgruppe hat weiter zugelegt und macht 12,4 Prozent aus. Sie leben nicht so strikt wie die Kerngruppen-LOHAS, orientieren sich aber an diesen. Darüber hinaus gibt es die Slow- Food-Bewegung, die sich für eine lebendige und nachhaltige Kultur des Essens und Trinkens einsetzt. Die Vereinigung zählt in Deutschland derzeit über 12.000 Mitglieder.
Doch neben LOHAS- und Slow-Food-Anhängern greifen ebenso die Büroangestellte, der Manger, der Student, die Hausfrau, der Rentner oder der Familienvater in Elternzeit zu Bio. „Die Bio-Käufer unserer Zeit sind keine strikten Verfechter eines Lebensmodells: Gekauft wird offenbar, wenn es passt – aber keineswegs immer“, so ein Resümee der GfK.
Bio versus Regional
Jeder vierte Befragte einer Studie der GfK von 2014 ist bereit, für Bioprodukte mehr Geld auszugeben. Für Lebensmittel aus der Region würden sogar 46 Prozent der Kunden tiefer in die Tasche greifen. Eine Konkurrenzsituation zwischen biologisch erzeugten und regionalen Artikeln sehen der GfK-Marktforscher Adlwarth und viele Hersteller jedoch nicht. „ Vor allem in der Gruppe der LOHAS gibt es eine hohe Korrelation von beiden Segmenten“, sagt Adlwarth. Wer Bio mag und kauft, fühlt sich ebenso von regionalen Produkten angesprochen. Allerdings räumt der Experte den regionalen Sortimenten ein größeres Potenzial ein, da sie auch von nicht bio-affinen Verbrauchern gerne gekauft werden und damit eine größere Zielgruppe ansprechen.
Mehr als ein Siegel
Darüber hinaus machen die Hersteller immer wieder die Erfahrung, dass es vielen Verbrauchern noch an Wissen mangelt, was genau ein Bioprodukt auszeichnet. Regionalität ist dagegen ein Begriff, mit dem die meisten vor allem Positives und Vertrauenswürdiges verbinden. Um diese Diskrepanz zu überwinden, sehen sich die Bioproduzenten selbst in der Pflicht, besser und umfassender über die Vorteile von Bioprodukten zu informieren. Denn Bio ist schließlich mehr als nur ein Siegel für die verwendeten Rohstoffe, sondern spiegelt eine Lebenseinstellung und ein Wertesystem wider, sowie einen verantwortungsvollen Umgang mit ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten. Da regional erzeugte Bioprodukte alle diese positiven Aspekte vereinen, sehen die Experten hier große Entwicklungschancen. Durch sie würden nicht nur Transportwege gespart und die heimische Wirtschaft gestärkt, sondern auch die Umwelt vor Ort geschont.
Biomarkt 2015
Für den Biomarkt 2015 sehen die Hersteller einhellig eine Fortsetzung der Trends zu naturbelassener Qualität von Lebensmitteln, bewusstem Genuss, Transparenz und Regionalität. Auf der Biofach 2015 präsentieren sie dem Fachpublikum neben Innovationen vor allem neue Sorten und verbesserte Verpackungskonzepte. Zudem werden Themen wie „Vegan“ und „Free From“ eine große Rolle spielen.
Für die Umsetzung auf der Fläche empfiehlt es sich, die Güter des täglichen Bedarfs in Bioqualität anzubieten. Bio-Einsteiger greifen generell zuerst bei Frischeprodukten wie Gemüse, Eiern, Fleisch oder Milchprodukten zu ökologisch erzeugten Waren. Eingefleischte Bio-Fans wollen dagegen auch beim Trockensortiment, Snack- und Convenienceprodukten rundum versorgt sein. Idealerweise kann der Handel seinen Kunden in jedem Segment eine Bioalternative anbieten.
Fakt ist: Die Käuferschaft von Bio lässt sich nicht über einen Kamm scheren und ist alles andere als homogen. Und: Die Käuferschaft wächst. Es gilt nun, den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Dabei ist aber nicht nur allein der Handel gefordert, sondern auch die Markenartikelindustrie. Gefragt sind Produkte und Leistungen, die auf die Ziele und Ansprüche der nachhaltig orientierten Verbraucher abzielen: Zum einen die Verbindung von Genuss und Gesundheit. Zum anderen möchten sie mit ihren Konsumgewohnheiten aktiv in den Massenmarkt eingreifen und zu einer Verbesserung der Welt beitragen.