Foto: T. Schindel
Nur mit Transparenz und Glaubwürdigkeit lässt sich das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen. Das sagt Franz-Friedrich Müller, Geschäftsführer der MARKANT AG.
Herr Müller, hat die Lebensmittel-Branche beim Verbraucher an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren?
Ja, leider. Daran sind einzelne schwarze Schafe schuld, aber auch die Medien, die unsere Branche regelmäßig an den Pranger stellen. Besonders ärgere ich mich über immer wiederkehrende Schlagzeilen zum Thema Preiserhöhungen. Wir reden bei Lebensmitteln von lediglich zwölf Prozent der Haushaltsausgaben. Über Kostentreiber wie Telekommunikations- und Energiekosten wird hingegen kaum berichtet. Hier sollten wir ansetzen: Wir müssen den Verbraucher über Hintergründe und Entwicklungen informieren und uns durch Transparenz und Offenheit sein Vertrauen zurückgewinnen.
Sie wollen mit der Initiative ONE GLOBE Zeichen setzen. Was haben Sie vor?
Wir müssen im Handel viel offener und transparenter werden – dabei wollen wir in unserer Branche Vorreiter sein. Konkret bedeutet das: Wir haben damit begonnen, uns als Informationsdienstleister für unsere Industrie- und Handelspartner zu positionieren. Diesen Weg werden wir weiter gehen. Unser Ziel ist es, alle Informationen so zur Verfügung zu stellen, dass unsere Kooperationspartner zum Verbraucher hin transparenter sein können – und zwar ohne großen Aufwand.
Warum das Thema Transparenz und nicht die allgegenwärtige Nachhaltigkeit?
Ich bin der Meinung, dass das Thema Nachhaltigkeit inzwischen mehr als überstrapaziert ist. Daher versuchen wir in unserer Gruppe, mit dem Thema ONE GLOBE etwas allumfassender vorzugehen. Transparenz an sich schließt Nachhaltigkeit ja nicht aus, sondern ein.
Erst Nachhaltigkeit, dann Transparenz: Was kommt danach?
Glaubwürdigkeit. Wer nicht glaubwürdig ist, hat schon verloren.
Man kann also auch transparent sein, ohne glaubwürdig zu sein?
Ja, transparent sein alleine reicht nicht. Denken Sie nur an die Textilbranche.
Ist Glaubwürdigkeit letztlich eine Art Oberbegriff?
Ja, Transparenz ist nur der Weg dahin.
Warum stellen Sie das Thema Transparenz gerade jetzt in den Fokus?
Transparenz ist inzwischen notwendig geworden. Das belegen die nationalen und europäischen Gesetzgebungen, die immer detailliertere Regelungen zur Produktkennzeichnung erlassen, aber auch die Verbraucher, die ganz klar immer interessierter werden und mehr Transparenz fordern.
Das Thema ist also kein rein deutsches?
Die Initiative ist so international wie unsere Gruppe selbst. Jeder Kooperationspartner, egal aus welchem Land, kann sich aus unserem Daten-Pool bedienen.
Welche Vorteile haben Ihre Handelspartner durch die Initiative?
Nehmen wir das Thema Großverbraucher. Hier fordern Einrichtungen wie Krankenhäuser inzwischen nicht mehr nur Infos über die genaue Zusammensetzung der Speisen, sondern auch über einzelne Inhaltsstoffe wie beispielsweise Allergene. Die Beschaffung dieser Informationen ist für mittelständische Unternehmen nicht nur mühsam, sondern auch extrem kostenaufwändig. Deswegen haben wir uns des Themas angenommen. Das bedeutet für unsere Mitglieder: weniger Kosten, weniger Aufwand und aktuellere Informationen.
Wie viel Arbeit nehmen Sie dabei Ihren Mitgliedsunternehmen ab?
Wir schaffen die Basis für Transparenz, um die Umsetzung müssen sich unsere Mitglieder hingegen selbst kümmern. Für eine möglichst vollständige Transparenz brauchen wir aber nicht nur die Mitarbeit unserer Mitglieder, sondern auch die Hilfe der Industrie.
Was erwarten Sie von der Industrie?
Vollständige, umfassende und aktuelle Informationen rund um das Produkt. Dazu zählen auch Herkunftsangaben, Produktdokumente, Sicherheitsdatenblätter und Konformitätserklärungen. Das gilt nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für Nonfood. Dazu muss man wissen: Es gibt heute immer noch viele Lieferanten, die noch nicht in der Lage sind, uns diese Informationen zur Verfügung zu stellen. Dabei verschärft sich die EU-Gesetzgebung für mehr Transparenz bei Produktinformationen immer mehr.
Ist Ihre Transparenz-Initiative auf die MARKANT Gruppe beschränkt?
Ja, aber wir laden auch andere Handelsunternehmen jederzeit dazu ein, Mitglied der MARKANT zu werden.
Wo stößt Transparenz an Grenzen?
Ganz klar: Wenn es um wettbewerbsrelevante Betriebsgeheimnisse geht, beispielsweise um lang gehütete Rezepturen. Dann ist berechtigterweise Schluss mit Transparenz.
Sie sprechen verstärkt von der „integrierten MARKANT“. Was verstehen Sie darunter?
Wir wollen in den Prozessen zwischen Industrie und Handel komplette integriert sein. Um dahin zu kommen, bieten wir Dienstleistungen an, die ein wichtiger Bestandteil von Prozessen wie Logistik, Rechnungsprüfung, Vertrieb oder Marktforschung sind. Unser erklärtes Ziel ist es dabei, die Industrie noch viel stärker einzubinden.
Wie können Sie die Industrie denn noch stärker integrieren?
Das geht nicht mit Druck, sondern nur mit Appellen und permanenter Überzeugungsarbeit. Aber das bedeutet auch, dass die Industrie zukünftig nicht nur in ihre Produkte und deren Weiterentwicklung investieren darf, sondern auch in Organisationsstrukturen und Prozesse - also in das Management dieser Produkte.
Welche Vorteile hat die Industrie davon, bei Ihnen mit integriert zu sein?
Wir haben in unserem Konzern um die 43.000 Rechnungsadressen. Wir haben mehr als 150 Mitglieder. Viele Datenbanken und die Schnittstellen werden durch uns erstellt. Ohne uns müsste die Industrie letztendlich tausende von Schnittstellen zu unseren Mitgliedern selbst programmieren. Kurz: Wir nehmen der Industrie jede Menge Arbeit ab
Wo sehen Sie die MARKANT in 2020?
Als die führende europäische Kooperation, die stark wächst und in 14 bis 15 Ländern vertreten ist – mit einem hohen Durchsatz und dem Ziel, mindestens die dritte Kraft im jeweiligen Markt zu sein. Außerdem wünsche ich mir, dass wir das Thema Dienstleistungen in all diesen Ländern möglichst allumfassend bedienen können. In Deutschland sind wir heute schon sehr weit. In der Schweiz und in Österreich sind wir auch schon etwas weiter, in Tschechien müssen wir weiter Gas geben, um auf das gewünschte Niveau zu kommen.
Also: das Modell Deutschland auf die anderen Länder übertragen?
Ja, allerdings erst anpassen und dann übertragen. Wir wollen keine europäische Standardisierung, sondern auf das jeweilige Land zugeschnittene Lösungen. Für uns bedeutet Europäisierung nicht Vereinheitlichung sondern Vielfalt und Verschiedenheit. Wir müssen den unterschiedlichen Auffassungen - auch kulturell - gerecht werden. Schauen Sie sich die Vielfalt und Individualität unserer europäischen Mitgliederstruktur heute an. Wir stehen für genau diese Vielfalt und wollen diese auch für die Zukunft erhalten.
Welche Länder haben Sie dabei im Fokus?
Nächstes Jahr wollen wir Kroatien und Slowenien anpacken. Ansonsten begleiten wir natürlich unsere Mitglieder in die Länder, in denen sie aktiv werden. Unser Kunde dm ist beispielsweise in elf Ländern vertreten. Unser Ziel ist es, hier schnell aufzuschließen. Wenn wir alle Mitgliedsländer abgedeckt haben, können wir über weitere potenzielle Länder und Kooperationen entscheiden.