Generative KI macht vieles anders

Montag, 29. Januar 2024
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Die Einführung generativer KI werde den Retailbereich grundlegend verändern, sagen IT-Experten. Das betrifft sowohl die Arbeitswelt als auch das Einkaufen an sich.

Bereits heute zeichnet sich ab, dass die viel beschworene Künstliche Intelligenz (KI) das private Leben, aber auch den Arbeitsalltag verändern wird. Erste Anwendungen sind bereits im Einsatz, auch im Handel. Ein Beispiel sind KI-gestützte Prognosesysteme in der Supply-Chain, die – auch von verschiedenen Markant Partnern – zur Bestandsoptimierung eingesetzt werden (s. Markant Magazin 08.23). Ein anderes Einsatzgebiet, das sich nach Ansicht von Fachleuten gerade auch für den Handel eignet, ist eine Texttransformations-KI wie ChatGPT, häufig auch «generative KI» genannt. Etwa jedes achte Unternehmen (12 %) in Deutschland nutzte 2023 KI. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, wird sie vor allem in Grossunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten (35 %) eingesetzt. Am häufigsten kommen Technologien zur Spracherkennung (43 %), zur Automatisierung von Arbeitsabläufen (32 %), zur Hilfe bei der Entscheidungsfindung (32 %) sowie zur Analyse von Schriftsprache beziehungsweise Text Mining (30 %) zum Einsatz.
 
Produktauswahl im Dialog
«ChatGPT hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir online und stationär einkaufen, in den kommenden ein bis zwei Jahren grundlegend zu verändern», sagt Emily Fridman, Expertin für IT und Customer Experience beim Technologieunternehmen Cognizant. «Anstatt sich mühsam durch Artikelübersichten zu kämpfen, können Kunden sich auf ein persönlich zugeschnittenes interaktives Interface freuen, das sie schnell zum Ziel führt.» Der Weg dahin führt weg von einem strukturierten Ansatz über Produktart, Preis und Anwendungsgebiet hin zu einem dialogorientierten Auswahlverfahren. Dieser Ansatz läuft auf den Plattformen der Marken und Händler mithilfe von ChatBots, Messenger- und anderen Automationstechniken. Der Kunde kann dann offene Fragen stellen wie «Welches gesunde Nudelgericht kann ich in 20 Minuten zubereiten?» und erhält daraufhin nicht nur passende Rezepte, sondern auch eine Einkaufsliste mit allen benötigten Zutaten. Bei einem US-Lieferdienst laufe eine solche Anwendung bereits, berichtet Fridman. 
 
Bedürfnisse besser verstehen
Ein wichtiger Vorteil der generativen KI: Sie versteht Nuancen und Kontexte in einer Weise, wie es bestehende Suchmaschinen nicht tun. Bei einem bisher typischen Online-Einkauf nutzen die Kunden beispielsweise die Suchfunktion oder das Navigationsmenü des Händlers, um sich die Artikel einer Warengruppe anzusehen. Dieses Tool würde alle relevanten Produkte anzeigen, die sich dann nach Preis, Farbe, Grösse, Stil oder anderen Merkmalen filtern lassen. Generative KI geht zielgerichteter vor: Sie ist in der Lage, Suchanfragen mit spezifischen Bedürfnissen zu verstehen, etwa «Suche nach einem glutenfreien Mehl für Vollkornbrote». Und es geht noch einen Schritt weiter und integriert bekannte Kundendaten und frühere Käufe, um die Ergebnisse zu verfeinern. 
 
Personalisierte Kommunikation
Einer der häufigsten Anwendungsfälle generativer KI ist das Erstellen von Newslettern, E-Mails und Social-Media-Posts beinahe in Echtzeit. Aber es geht dabei weniger um die Arbeitserleichterung bei der Texterstellung, die es auch gibt. Der grössere Mehrwert liegt anderswo, wie Fridman erläutert: «Einzelhändler können Inhalte mit Kundendaten kombinieren und so eine hochgradig relevante und personalisierte Kundenkommunikation generieren. Generative KI ermöglicht echte One-to-One-Kampagnen, indem sie Bilder, Produktbeschreibungen, Werbetexte, Social-Media-Inhalte und andere schriftliche oder kreative Inhalte erstellt, die auf jeden einzelnen Empfänger perfekt zugeschnitten sind.»
 
Erkennt Frust am Tonfall
Zwei weitere Anwendungsfälle im Handel sind sogenannte Co-Pilot-Tools zur Unterstützung der Mitarbeiter in stationären Geschäften. Sie können beispielsweise genutzt werden, um alle relevanten Kundendaten abzurufen und die nächstbesten Aktionen oder Produktempfehlungen anzubieten. Bei der Unterstützung in telefonischen Hotlines kann KI sogar den Tonfall eines Kunden analysieren und dem Mitarbeiter so Hinweise geben, wie er seine Antworten am besten anpassen kann. Erkennt ein KI-fähiges Tool etwa Frustration nach einer langen Wartezeit, kann es dem Servicemitarbeiter vorschlagen, den Kunden zu kontaktieren, sobald das Problem gelöst ist oder weitere Informationen verfügbar sind.
 
Mehr Funktionen am POS
«Die Einführung generativer KI im Retailbereich wird eine Kettenreaktion auslösen», ist Emily Fridman überzeugt. Um im Wettbewerb mitzuhalten, müssten Unternehmen künftig umdenken – von der Datenspeicherung bis hin zur Nutzung ihrer physischen Räumlichkeiten. Fridman: «Sie müssen eine umfassende und vernetzte Strategie entwickeln, die nicht nur einen bestimmten generativen KI-Nutzungsfall ermöglicht, sondern auch die weiteren Auswirkungen auf das Unternehmen, seine Mitarbeitenden und das Kundenerlebnis berücksichtigt.» So könnten Händler erwägen, das Geschäft so umzubauen, dass es mehr Funktionen erfüllt: Ausstellungs- und Showroom, Lager, Abhol- und Umtauschstelle.
 
Datenschutz und Governance
Im Vorfeld einer Implementierung gilt es einiges zu berücksichtigen. Personalisierte Kampagnen und bis zu einem gewissen Grad auch Co-Pilot-Tools generieren eine grosse Datenmenge, für deren Verwaltung die Systeme und Teams im Handel gerüstet sein müssen. Ganz wichtig ist auch, KI-gestützte Tools in die Datenstrategie zu integrieren, um Datensicherheit, Datenschutz und Governance zu gewährleisten. Beim Einsatz von Texttransformations-KI stehen die Unternehmen zum Beispiel auch vor der Herausforderung, die Faktenkontrolle der Quellen und die Beachtung des Urheberrechts sicherzustellen. Es sei sehr wichtig, die Quellen zu kennen und ihre Zuverlässigkeit einschätzen zu können, betont Peter van der Putten, Director AI Lab bei Pegasystems, im Gespräch mit dem Markant Magazin ONE.
 

Faktenkontrolle und Urheberrecht 

Peter van der Putten, Director AI Lab bei Pegasystems, über den Umgang mit zwei wesentlichen Problemfeldern beim Einsatz von Texttransformations-KI.

Der Einsatz von Large Language Models stellt Verantwortliche vor das Problem, die Quellen ermitteln zu müssen, die Generative AI (Generative Artificial Intelligence) zur Erstellung ihrer Antworten nutzt. Um auf Nummer Sicher zu gehen, gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Da «Large Language Models» (LLMs) mit grossen Textbeständen trainiert werden, lassen sich die Quellen einer generierten Antwort in den üblichen Foundation Models eben nicht so einfach herausfinden. Eine Lösung hierfür ist die so genannte «Retrieval Augmented Generation», die abfragebasierte und generative Modelle miteinander verknüpft. Durch die Nutzersuche extrahiert das Abfragemodell zunächst die relevanten Informationen aus grossen Datensätzen. Auf Basis der Suchergebnisse erzeugt die Generative AI anschliessend ihre Antwort. Durch dieses Vorgehen besteht jederzeit Transparenz über die Quellen, die einer Antwort zugrunde liegen. Zudem wird die Generative AI dazu befähigt, Fragen mit Informationen zu beantworten, die nicht für das Training zum Einsatz kamen. So lassen sich mit Retrieval Augmented Generation auch KI-Agenten entwickeln, die nicht einfach willkürlich alle vorhandenen Daten nutzen, sondern einen fallspezifisch definierten Bestand an Dokumenten für ihre Antwort verwenden. Ein anderer Aspekt sind die urheberrechtlichen Informationen einer Quelle. Es ist sehr wichtig diese zu kennen und zu verstehen, um die Zuverlässigkeit von Quellen einschätzen zu können. Diese Anforderung ist ein heiss diskutiertes Thema. Die Anbieter von Foundation Models behaupten zwar, dass sie nur Inhalte verwenden, die nicht urheberrechtlich geschützt und damit rechtskonform sind. Das lässt sich allerdings schwer überprüfen, weil sie nicht transparent darlegen, welche Trainingsdaten zum Einsatz gekommen sind. Damit urheberrechtlich geschützter Content überhaupt fair verwendet werden kann, müssen Anbieter rechtliche Vereinbarungen mit den Content-Eigentümern aufsetzen. 
 

News

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FIZ. Trotz Inflation und hoher Lebenshaltungskosten bleibt Fisch unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Ernährung.

Jens Kundrun von Behn (links) und Lars Malachewitz von Bela (rechts). Fotos: Anna Leste-Matzen, Karsten Dollak

Bela und Behn meistern mit der Gründung des Joint Venture, der GLN Getränkelogistik GmbH & Co. KG, künftig gemeinsam die Herausforderungen der Mehrweg-Logistik.

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MPREIS. Durch die Nutzung der Software-Plattform von Hoffrogge richtet MPREIS das Sortiment und die Produktplatzierung in seinen Filialen noch mehr auf Kundenbedürfnisse aus.

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Vion/GfK. Knapp 40 Prozent der deutschen Verbraucher bevorzugen Fleisch aus Deutschland und verzichten sogar bewusst auf importiertes Fleisch.

Verknüpfen

KI-unterstützte Large Language Models (LLMs) werden durch einen grossen, aber begrenzten Stamm an Daten trainiert. Der Schlüssel zu verbesserter Produktivität liegt darin, LLMs mit Unternehmensdaten zu verknüpfen – sicher und datenschutzkonform. Die Assistenz-KI «Microsoft 365 Copilot» zum Beispiel hat Echtzeitzugriff, sowohl auf Inhalte als auch den Unternehmenskontext in «Microsoft Graph». Das bedeutet, dass Antworten basierend auf den Unternehmensinhalten generiert werden: aus Dokumenten, E-Mails, Kalendern, Chats, Meetings, Kontakten und weiteren Daten. Die Lösung kombiniert diese unter Einbezug des Arbeitskontexts. Ein Anwendungsbeispiel sind Meetings mit Microsoft Teams. Der Copilot kann Schlüsselpunkte der Diskussion zusammenfassen – unter Berücksichtigung dessen, wer was sagt und an welchen Stellen Personen zustimmen oder nicht übereinstimmen – und schlägt nächste Schritte in Echtzeit, noch während des Meetings, vor.
 
Quelle: Microsoft