Wissen, wie Kunden ticken

Freitag, 25. Juni 2021
Foto: stock.adobe.com/IRStone

Wer die Bedürfnisse und Wünsche von Kunden kennt, kann sein Angebot besser auf sie zuschneiden. Doch die übliche Differenzierung in Zielgruppen ist oft zu ungenau. Detaillierte Analysen liefern fiktive Kundenpersönlichkeiten, die sogenannten «Personas».

Ob Sinus-Milieus («Bürgerliche Mitte»), GfK-Ernährungscluster («Couch Potato») oder Shoppertypen («Handelsmarken-Käufer»): Moderne Zielgruppen-Zuordnungen versuchen der Komplexität von Menschen, deren Einstellungen und Werten gerecht zu werden. Doch auch mit acht, zehn oder mehr Segmentierungen bleiben diese Gruppen oft sehr heterogen – eine Mischung unterschiedlicher Kundentypen, die lediglich in bestimmten Merkmalen Schnittmengen haben.

Vom Einzelnen zur Gruppe
Den umgekehrten Weg geht die Personas-Methode. Sie schliesst vom Einzelfall auf die Gruppe. Dafür schafft der Händler eine fiktive Kundenpersönlichkeit, die viele, möglichst typische Merkmale von Kunden in einer Person vereint. «Personas detaillieren die Zielgruppen weiter», erklärt Heike Scholz, Digitalexpertin und Geschäftsführerin des Netzwerks Zukunft des Einkaufens. «Händlerinnen und Händler kreieren Prototypen ihrer Kundinnen und Kunden und versehen diese mit Namen, Bild, einer eigenen Agenda und Wertesystem – sie schlüpfen sozusagen in die Schuhe der Kund:innen.» Die Informationen stammten dabei aus Daten und Erfahrungen mit tatsächlichen Kunden, wobei natürlich «kein hundertprozentiges Abbild» entstehe, sondern ein Zusammenfluss plausibler Annahmen. «Aus dieser semi-fiktiven Konstruktion von Daten zu Person, Werten, Motivationen, Informationen über Kaufkontext und Kaufentscheidungsprozesse lassen sich dann Massnahmen ableiten, die im Marketing greifen», sagt Scholz.

Dauerhafter Prozess
Wichtig für die Erstellung von Personas ist, dass ein möglichst scharfes Bild entsteht. «Eigenschaften dürfen nicht zu schwammig bleiben oder Stereotype widerspiegeln», sagt Scholz. Besser sei, möglichst genau zu beschreiben und dann im Markt auszuprobieren, ob man richtig liege. «Falls nicht, muss die Persona angepasst werden.» Ohnehin sei eine Persona kein gleichbleibendes Konstrukt, allein schon weil sich Einstellungen und Kaufverhalten ständig ändern. «Im Idealfall ist die Persona-Erstellung ein dauerhafter Prozess,  in welchem immer wieder Anpassungen vorgenommen werden», sagt Scholz. Verwendbare Daten für die Erstellung von Personas liegen meist schon im Unternehmen vor. Etwa aus Retail Analytics, Daten aus Warenwirtschaft oder Kundenkarten, Kundenbefragungen oder auch den Erfahrungen des Verkaufspersonals. Zudem rät Heike Scholz einen Blick in Social-Media-Accounts zu werfen. Über Posts oder Statistiken lasse sich dort einiges über die Struktur und die Einstellungen von Kunden erfahren.

Lebensstile ständig im Wandel
Anregungen zu Trends und Verhaltensweisen liefert das Lebensstil-Modell des Zukunftsinstituts. Im Trendmodell identifizieren die Forscher 18 Lebensstile, vom «Digital Creative», über den «Mainstreamer» bis zum «Forever Youngster». Auch hier gilt der Lebensstil als konstruierter Typus, bei dem «die Charakteristika idealtypisch zusammengestellt sind und nicht zwingend einen Menschen in der Realität abbilden». Hintergrund ist die Erkenntnis, dass Menschen je nach Kontext unterschiedliche Verhaltensweisen und Einstellungen zeigen, Lebensstile also situativ annehmen und ablegen. Zudem hat das Institut die Lebensstile zahlenmässig erfasst, was Unternehmen bei der Einschätzung des quantitativen Marktpotenzials unterstützt. Ergänzend findet sich eine Prognose über die künftige Entwicklung der Gruppengrösse – was hilft, Trends frühzeitig bei der Kundenanalyse und der Gestaltung von Personas zu adaptieren.

Buchtipp

Einfache Entwicklung von Personas im Handel
Einerseits ist die Entwicklung von Personas nicht trivial und dieser Prozess kann länger dauern. Andererseits ist es aber auch lösbar, wenn man es einfach angeht. Hierfür hat Heike Scholz ein Arbeitsbuch entwickelt, um entweder im Selbststudium oder auch im Team eigene Personas zu entwickeln. Dieses Arbeitsbuch richtet sich insbesondere, aber nicht nur, an kleine bis mittlere Händler*innen, die sich intensiv mit ihren derzeitigen und zukünftigen Kunden beschäftigen möchten.

Autor: Heike Scholz
Hardcover, 54 Seiten
Erschienen: Mai 2020
Preis: 34 Euro zzgl. Versand, erhältlich über Zukunft des Einkaufens (https://zukunftdeseinkaufens.de/buecher/arbeitsbuch-personas-handel)

 

News

Foto: Stefanie Brückner

Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

Foto: Ben Pakalski

Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

stock.adobe.com/Seventyfour

Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

stock.adobe.com/Racle Fotodesign

In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Kunden besser kennen

Heike Scholz, Geschäftsführerin und Mit-Gründerin des Netzwerks Zukunft des Einkaufens, berät Handelsunternehmen im Bereich Digitalisierung und Zukunftstrends. Im Interview erklärt sie, wie wir mit Personas mehr über Kund:innen und ihre Bedürfnisse erfahren.

Frau Scholz, warum brauchen wir Personas?
Heike Scholz: Im Handel ist zwar oft viel Wissen über Kund:innen vorhanden, gleichzeitig ist dieses aber meist nicht tief genug oder unstrukturiert. Hier setzen Buyer Personas an: Sie erzeugen Bilder im Kopf, wie bestimmte Kund:innen aussehen, was sie mögen, womit sie sich beschäftigen und vieles mehr. Solche Bilder unterstützen Mitarbeitende im Marketing, Vertrieb, Einkauf, aber auch das Verkaufspersonal in den Märkten, die konkreten Bedürfnisse der Kund:innen zu verstehen, passende Produkte anzubieten und Marketingaktionen zu gestalten.

Wie entwickelt man solche Kunden-Personas?
Heike Scholz:
Das hängt davon ab, was man erreichen will. Geht es darum, Bestandskund:innen bessere Angebote zu machen? Oder sollen Neukund:innen angesprochen werden? Dann hat man natürlich weniger Daten, die zur Verfügung stehen, und muss mehr Annahmen treffen. Grundsätzlich bestehen für den stationären Handel sinnvolle Personas immer aus vier Informationsbereichen: Persönliche Daten wie Name, Alter, Geschlecht oder Beruf, welche Ziele und Bedürfnisse diese Person hat, warum sie kauft oder nicht kauft und welche Verkaufsargumente entscheidend sind. Wichtig ist auch ein Foto, dann hat man die Person direkt vor Augen.

Welche Fehler sollte man vermeiden?
Heike Scholz:
Man darf natürlich kein Wunderwerk erwarten. Da stecken immer Ungenauigkeiten drin und deswegen sollten wir Personas auch immer wieder nachschärfen, allein schon, weil sich das Kaufverhalten ständig verändert. Gleichzeitig ist es wichtig, nicht in Stereotype zu verfallen und Kundentypen aufgrund von Merkmalen wie Alter oder Geschlecht bestimmte Verhaltensweisen zuschreiben. Wir müssen uns auch trauen, sehr genaue Beschreibungen zu setzen, anderenfalls bleibt die Persona zu unspezifisch und schwammig. Ausserdem sollten es nicht zu viele Personas sein, weil man sonst leicht den Überblick verliert.

Randnotiz

Zielgruppe meint eine über bestimmte Merkmale definierte Gruppe potenzieller Käufer. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) unterteilt Zielgruppen etwa nach demografischen Merkmalen wie Alter und Geschlecht. Dazu kommen psychografische Merkmale, also Einstellungen und Werte, sowie eine Segmentierung  nach Kaufverhalten.

Buyer-Personas sind fiktive Personen, die einen typischen Kunden repräsentieren. Sie sollen helfen, (potenzielle) Kunden besser zu verstehen, indem sie einzelne Zielgruppensegmente personalisieren. Sie basieren unter anderem auf Marktforschungsdaten.