Vertrauen zahlt sich aus

Montag, 30. Januar 2017
Foto: T. Schindel

Auch wenn sie heute auf fast jedem Produkt zu finden sind: Gütesiegel steigern die Kauf- und Zahlungsbereitschaft der Verbraucher, wie die Studie „Gütesiegel Monitor 2016“ zeigt.

Ob Lebensmittel, Haushaltsgeräte oder Kleidung: Viele Produkte ziert heute mindestens ein Siegel. Als optische Auswahlhilfe sollen sie Verbrauchern bestimmte Produkteigenschaften garantieren.Mehr als 600 Siegel werden hierfür nach Angaben des Verbraucherportals Label Online aktuell im deutschen Markt verwendet: von Qualitäts- und Gütesiegeln, über Testprädikate bis hin zu Nachhaltigkeitslabeln oder Regionalzeichen.

Gütesiegel helfen bei Umsatzsteigerung

Zeichnet ein Unternehmen seine Produkte mit Siegeln aus, kann das den Verkaufserfolg kräftig ankurbeln, so ein Ergebnis der Studie „Gütesiegel Monitor 2016“ des Marktforschungsinstituts Splendid Research. Produkte oder Dienstleistungen erhalten demnach ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Die Qualitätswahrnehmung der Verbraucher steigt, neue Käufergruppen werden erschlossen und die Zahlungsbereitschaft steigt mitunter.
 
Doch die Nutzung von Siegeln ist teuer, die einjährige Nutzung eines Testergebnisses der Stiftung Warentest für Werbezwecke kostet zum Beispiel mindestens 7.000 Euro. Wer das Geld nicht in den Sand setzen will, muss deshalb wissen, welche Siegel tatsächlich kaufentscheidend sind.
 
Studie gibt Überblick 
 
Antworten gibt ebenfalls die aktuelle Studie von Splendid. Generell gilt: Bei Labels wird oft mehr geglaubt als tatsächlich gewusst. Sind Produkte etwa mit bekannten Siegeln ausgezeichnet, wirkt sich das positiv auf die vermutete Warenqualität aus, so die Autoren des Gütesiegel Monitors. Dieser Effekt werde noch gesteigert, wenn hinter dem Siegel der Staat oder Umweltorganisationen vermutet würden: Mehr als 60 Prozent der Befragten gingen dann davon aus, dass gewissenhaft geprüft werde, während sie privaten Instituten eher mit Skepsis begegneten. 
 
Welche Art von Institut tatsächlich hinter welchem Siegel steht, können allerdings die wenigsten Verbraucher richtig einschätzen: Nur 13 Prozent der Befragten stufen laut der Studie etwa den TÜV Süd und Öko-Test korrekt als private Institute mit Gewinnabsichten ein.
 
Das Forscherteam hatte im VorfeldVerbraucher zu 37 häufig verwendeten Gütesiegeln befragt und für zwölf Label eine detaillierte Analyse der Kauf- und Zahlungsbereitschaft durchgeführt. 83 Prozent der Befragten stimmten dabei mindestens teilweise der Aussage zu, dass ein Produkt mit Gütesiegel besser ist als eines ohne. Es sind eher die jungen und mittleren Altersgruppen, die sich für Gütesiegel interessieren, häufiger Frauen, mehr Eltern, mehr Personen mit einem hohen Haushaltsnettoeinkommen.
 
Siegel nicht zwangsläufig Argument für Preissteigerung
 
Noch wichtiger ist aber die Einkommenszufriedenheit: „Wenn Leute das Gefühl haben, sich mehr leisten zu können, achten sie auch deutlich häufiger auf Gütesiegel“, sagt Daniel Althaus, Leiter Datenanalyse bei Splendid Research. Bei einer Verpackung mit Siegel steige die Kaufbereitschaft um 4,2 Prozent. Doch nicht immer führe das automatisch dazu, dass den Kunden das Produkt auch mehr wert sei. „Erst wenn sich Verbraucher bewusst mit den Prüfkriterien beschäftigen, steigt die Bereitschaft, einen höheren Preis zu bezahlen – dann aber im Schnitt um 2,3 Prozent“, heißt es in der Studie.
 
Imagetransfer auf Produkt möglich
 
Warum Siegel das Kaufverhalten beeinflussen, erklärt Daniel Althaus: „Gütesiegel vereinfachen die Auswahl von Produkten, indem sie bestimmte Produkteigenschaften symbolisieren. Wenn die Verbraucher nach diesen Eigenschaften suchen, steigern die Siegel die Preis- und Kaufbereitschaft.“ Zudem findet ein Imagetransfer zwischen Siegel und Produkt statt. „Wird ein Siegel mit positiven, oder auch negativen, Eigenschaften assoziiert, werden auch dem Produkt diese Eigenschaften zugeschrieben“, sagt Althaus. „Ob sich das Label oder der Artikel wirklich durch diese Eigenschaft auszeichnen, ist nebensächlich. Wichtiger sind die bewussten oder unbewussten Annahmen der Konsumenten.“
 
Siegel leben von guter Kommunikation
 
Das Vertrauen in ein Siegel wächst jedoch mit steigender Kenntnis über die Siegelinhalte, auch wenn dieses Wissen oft nur subjektiv ist. Laut Studie schlummert dabei besonderes Potenzial in den Uninformierten, also jenen Verbrauchern, die nichts über ein Siegel wissen. Mit Informationen zu den Inhalten und Prüfkriterien des Siegels lassen sich diese im Idealfall für die Siegelzielgruppe gewinnen, heißt es in der Studie. Mit besserer Kommunikation können Industrie und Handel also noch viel mehr aus den Siegeln herausholen. Wichtig ist auch die optische Gestaltung: Gibt das Motiv durch seine Optik klare Hinweise auf den Inhalt, steigt laut Studie die subjektiv wahrgenommene Siegelkenntnis.
 
Für jedes Produkt das passende Siegel
 
Welches Siegel für ein bestimmtes Produkt den größten Nutzen bringt, richtet sich immer nach den Erwartungen der Zielgruppe. „Manche Siegel, etwa das GOTS-Textilsiegel oder das Fairtrade-Siegel, haben kleine Zielgruppen in der Bevölkerung, entfalten in diesen aber starke Wirkung“, erklärt Marktforscher Althaus. „Bei Nichtvorhandensein können sie die ganze Zielgruppe blockieren. Denn wer etwa fair gehandelte Produkte kaufen möchte, erwartet ein entsprechendes Label.“
 
Siegel auch im E-Commerce wichtig
 
Die Wirkung von Gütesiegeln beschränkt sich nicht nur auf den stationären Handel. Online orientieren sich Verbraucher verstärkt an Shopsiegeln, die von der Vertrauenswürdigkeit eines Anbieters überzeugen sollen, etwa „Trusted Shops“ oder das „Safer Shopping-Siegel“ des TÜV Süd. Laut einer Studie der E-Commerce-Beratung Elaboratum spielen Shopsiegel „im gesamten Kaufprozess eine Rolle und haben eine besonders hohe Bedeutung beim Kaufabschluss“. Und zwar beim Onlineshopping via Smartphone noch viel mehr als beim Einkauf am Desktop.
 
Cross-Channel-Marketing integriert zunehmend Kundenbewertungen
 
Im modernen Cross-Channel-Marketing werden diese Online-Siegel auch am POS wichtig. „Durch die Verzahnung digitaler Verkaufskanäle mit dem stationären Geschäft wird sich die Bedeutung der digitalen Gütesiegel künftig noch verstärken“, so ein Fazit der Elaboratum-Studie. „Vor allem Gütesiegel mit integrierten Kundenbewertungen werden kanalübergreifend eine vertrauenssteigernde Funktion einnehmen.“

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Interview

In welchen Kategorien Siegel besonders wichtig sind und wie Industrie und Handel die Wahrnehmung erhöhen können, erklärt Daniel Althaus, Leiter Datenanalyse beim Marktforschungsinstitut Splendid Research. 

Herr Althaus, bei welchen Produkten beeinflussen Siegel die Kaufentscheidung am stärksten? 
Generell sind Gütesiegel in allen Warengruppen, in denen Verbraucher Wert auf Qualität legen, sehr wichtig. Die drei wichtigsten Branchen sind Haushaltselektronik, Lebensmittel/Supermärkte und Pharmaprodukte/Apotheken. Vor allem bei Produkten, bei denen Verbraucher nicht auf andere Kundenmeinungen und professionelle Testberichte zurückgreifen können, verlassen sie sich auf Gütesiegel.

Laut Studie nehmen Verbraucher Siegel oft sehr subjektiv wahr. Welche Label werden aus Sicht Ihrer Ergebnisse überbewertet – oder aber zu wenig beachtet?
Die TÜV-Siegel genießen sehr hohes Vertrauen, weil 68 Prozent der Verbraucher davon ausgehen, dass es sich beim TÜV um ein staatliches Test-Institut oder eine staatlich geförderte Stiftung handelt – und denen vertrauen sie deutlich mehr. Auch der Blaue Engel steht in der Wahrnehmung der Verbraucher für ein ganzes Spektrum von Eigenschaften aus dem Bereich Umweltverträglichkeit. Üblicherweise zu wenig beachtet werden dagegen alle Siegel, bei denen ein privatwirtschaftliches Gewinninteresse vermutet wird. Das betrifft insbesondere die Servicesiegel, aber auch Auszeichnungen zur geschmacklichen Qualität.

Wie lässt sich das ändern?
Gütesiegel müssen erlebbarer werden, das heißt sie müssen stärker mit Kundenmeinungen und professionellen Testberichten, nach denen die Verbraucher ja online suchen, gekoppelt werden. Wenn sich Leute aktiv informieren, ist es viel einfacher, ihre Aufmerksamkeit für das Thema zu gewinnen.

Sind Verbraucher dann auch bereit, mehr Geld für ein entsprechend gelabeltes Produkt auszugeben?
Nicht automatisch. Unsere Ergebnisse zeigen vielmehr, dass die Zahlungsbereitschaft für ein Produkt mit Gütesiegel erst dann steigt, wenn sich der Kunde mit den Prüfkriterien auseinandersetzt. Hersteller und Handel sollten daher die Prüfkriterien einfach und deutlich erklären und diese auch auf dem Siegel vermerken.