Marken-Wandel

Montag, 06. Oktober 2014
Fotos: Privat

Veränderte Ernährungsgewohnheiten beeinflussen das Einkaufsverhalten der Verbraucher. Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch erklärt, warum es für Hersteller wichtig ist, ihr Handeln künftig darauf abzustimmen.

Herr Prof. Esch, das Einkaufsverhalten der Verbraucher verändert sich zusehends. Wie muss sich die Markenartikelindustrie in Zukunft darauf einstellen?
 Wer sich nicht bewegt, stirbt. Marken gehen einen ständigen Balanceakt zwischen der Wahrung der Markenwerte und der Anpassung an sich wandelnde Markt- und Kommunikationsbedingungen ein. Dies ist eine große Herausforderung für das Markenmanagement, weil man sich genau überlegen muss, wie weit man mit einer Marke gehen kann – ohne diese zu verfälschen.

Schaffen aber nicht gerade auch veränderte Bedingungen neue Chancen?
 Ja, das stimmt. Zum einen schafft das Platz für neue Marken, die spitz auf die neuen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Zum andern können sich Marken mit weniger klarem Profil neu positionieren.

Welche Handlungsempfehlungen geben Sie?
Markenmanager müssen fundiert analysieren, wie weit vorhandene Marken verändert und angepasst werden können, ohne dass sie ihre Identität verlieren. Und sie müssen prüfen, welche Anforderungen für ihre Marken künftig notwendig werden. Dies trifft sicher auf Werte wie Umweltverträglichkeit, Transparenz, Herkunft, Gesundheitsbewusstsein und Nachhaltigkeit zu. Es geht auch darum, zu prüfen, inwiefern eine vorhandene Marke neue Entwicklungen als Sprungbrett für weitere Profilierungen nutzen kann. Darüber hinaus sollten Unternehmen sich die Frage stellen, inwiefern die Möglichkeit zur Einführung neuer Marken besteht. Hier sehe ich ebenfalls eine große Chance. Wie sich allerdings bei vielen der großen Konsumgüterhersteller zeigt, sind diese oft nicht in der Lage, die Komplexität ihrer Portfolios zu managen.  Für neue Marken sollte sich demnach nur dann entschieden werden, wenn diese den Verbrauchern einen Mehrwert bieten.

Was werden die größten Herausforderungen für die Industrie sein?
Die größte Herausforderung der Markenartikler liegt darin, das richtige Maß der Anpassung an die sich ändernden Bedingungen zu finden und sich dabei stets auf die Markenwerte zu besinnen.

Um was geht es hier konkret?
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, wo die Grenzen zwischen steuerbarer und nicht steuerbarer Kommunikation liegen, und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Markenartikler sollten vor allen Dingen sinnvolle Innovationen für Kunden und die Marke identifizieren und diese anschließend schnellstmöglichst vorantreiben. Ein weiterer Punkt ist, das unterschiedliche Involvement der Kunden an diversen Kontaktpunkten sinnvoll bei der Umsetzung von Kommunikationsbotschaften zu beachten. Wichtig ist dabei, eine neue Form des Dialogs mit den Kunden zu lernen und diesen für die Marke zu nutzen.

Was müssen die Markenartikler dafür tun?
Es muss in den Unternehmen eine Kultur geschaffen werden, die Innovationen und schnelle Anpassungen ermöglicht und so viele Veränderungen vornimmt, wie nötig und möglich sind. Es gilt, sinnvolle Innovationen für Kunden und die Marke zu identifizieren und diese schnellstmöglich voranzutreiben.

Wo liegen für die Markenartikelindustrie die größten Chancen?
Die größte Chance liegt in der konsequenten Besinnung auf das wirksame Fundament der Markenführung, nämlich die zeitgemäße Interpretation der Markenidentität und -positionierung. Gleichzeitig gilt es, eine klare und inspirierende Vision zu setzen, die Manager und Mitarbeiter mitreißt und zu Höchstleistungen motiviert. Unternehmens- und Markenstrategie sollten maximal aufeinander abgestimmt werden. Geschäftsmodell und Marke müssen wie Zahnräder ineinander greifen. Wer diese Chancen nutzt, wird die oben beschriebenen Herausforderungen meistern und so der Champion der Zukunft werden.

Welche Markenwerte werden dadurch künftig an Bedeutung gewinnen?
Neben Aspekten wie Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein wird es immer weitere Werte geben, die eine Rolle spielen. Dass 73 Prozent der Marken von den Kunden als verzichtbar wahrgenommen werden, weil sie nicht klar profiliert sind, zeigt, wie gefährlich es sein kann, auf Markenwerte einfach „aufzuspringen“. Vielmehr müssen die Markenwerte aus dem Unternehmen heraus erarbeitet werden, denn nur dann können sich die Mitarbeiter mit diesen identifizieren und ihre Marke entsprechend glaubhaft leben.

Wird sich das Vertrauen in die Marke ändern? Wenn ja, inwieweit und mit welchen  Konsequenzen?
Starke Marken stehen für Vertrauen. Insofern wird das Vertrauen in Marken auch künftig entscheidend für den Kauf sein. Starke Marken entlasten den Kunden – heute und in Zukunft. Allerdings müssen sich diese einer permanenten Prüfung unterziehen. Zu Vertrauensverlusten kommt es vor allem dann, wenn sie gegen Standards verstoßen oder die Verbraucher die Marke als in sich nicht konsistent erleben. Starke Marken müssen demnach eine klare Orientierung bieten, für was sie stehen, und dies konsequent verfolgen. Unsere große Studie zur Zukunft der Marke, die wir gemeinsam mit MARKANT und GfK durchgeführt haben, bestätigt dies: Hier wurde als wichtigster Kaufgrund positive Erfahrungen mit der Marke – und somit auch das Vertrauen in diese – angegeben. 

Wird der Wandel in der Konsumwelt von der Industrie bereits wahrgenommen und mit Produktkonzepten und Shoppingwelten umgesetzt?
Er wird wahrgenommen, man arbeitet an Lösungen. Es wäre auch fatal, wenn es anders wäre. Allerdings wäre es für die Markenartikler gut, hier stärker experimentell vorzugehen, um mehrere Lösungsansätze auf ihre Wirksamkeit parallel zu testen.

Erfolgreiche Marken treffen den Zeitgeist der Verbraucher – was bedeutet dies für die Zukunft?
Auch in Zukunft gilt: Erfolgreiche Marken bieten den Verbraucher den Mehrwert, der ihren Ansprüchen zum jeweiligen Zeitpunkt gerecht wird. Wer hier hinterherhinkt, verpasst den Zug und bleibt auf dem Bahnhof stehen.

Inwieweit wird das Internet und Social Media die Marke beeinflussen?
Esch: Der Einfluss von Social Media auf die Marke wird zunehmen. Wichtig ist, dass man sich damit auseinandersetzt, wie man die Marke noch stärker mit der Welt der Konsumenten vernetzen und dadurch eine tiefere Bindung schaffen kann. Dazu gehört auch, dass man sich überlegt, wie man positive Mund-zu-Mund-Propaganda für Marken schaffen kann. Doch hier muss man vorsichtig sein: Nicht alles, was im Web verbreitet wird, entspricht der Wahrheit. 90 Prozent des Word of Mouth für Marken spielt sich nach wie vor Offline und nicht Online ab.

Die Konsumwelt wird vielschichtiger und vernetzter. Die Food-Welt muss sich immer wieder neu erfinden. Tut sie das aus Ihrer Sicht?
Esch: Wir wissen, dass Konsumenten ständig zwischen den Kontaktpunkten Offline und Online hin- und herspringen. Insofern ist es wichtig, tiefe Kenntnisse zur „Customer Journey“ zu haben. Hier könnte ein „Life Experience Tracking“ helfen. Kunden geben über Smartphone immer dann, wenn sie einen Kontakt mit der Marke haben, diesen an und bewerten ihn. Dadurch erhält man tiefere Einblicke in die Interaktionspfade und die Bedeutung der Kontaktpunkte. Entscheidend ist, dass man genau weiß, welche Kontaktpunkte man bespielen muss und wie diese die Markenwerte und die Botschaft der Marke umfassend transportieren.

Sollte die Marke für die sich wandelnden Verbraucherbedürfnisse am Point of Sale anders inszeniert werden?
Fakt ist, dass zukünftig Erlebnisse vor Ort darüber entscheiden werden, ob ein Verbraucher einen Laden aufsucht oder den bequemen und oft auch billigeren Weg über die Online-Bestellung vorzieht. Hier gilt es, starke Reminder durch Inszenierungen zu schaffen. Das hilft dem Hersteller und dem Handel.

Wie können sich etablierte Marken gegenüber der Online-Konkurrenz behaupten?
Markenartikler sollten sich breit aufstellen und ihr Angebot sowohl Online als auch vor Ort zur Verfügung stellen. Dadurch haben sie einen entscheidenden Vorteil: Sie können durch die Verzahnung der beiden Welten entscheidende Mehrwerte bieten. Dass man online bestellte Pakete im Laden abholen und aufgeben kann, sollte hierbei allerdings nur einen Anfang darstellen. Hier sehe ich großes Potenzial, das aktuell noch zu wenig ausgeschöpft wird.

 

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Personalie

Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch, Marketingforscher, Esch. The Brand Consultans Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch berät Unternehmen zu Markenthemen. Er ist Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung, EBS Business School, Oestrich-Winkel, und Gründer von „Esch. The Brand Consultants“, Saarlouis. www.esch-brand.com

 

 

Buchtipp

Das Buch von Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch verbindet Wissenschaft und Praxis.

Die Marke gilt als wichtigster immaterieller Wertschöpfer in Unternehmen. Das Buch zeigt die Rahmenbedingungen, Ziele und Grundsatzstrategien der Markenführung. Darüber hinaus stellt Esch die Entwicklungen und Umsetzung der Markenidentität und Markenpositionierung ausführlich dar.

ISBN 978-3-8006-4856-6
Preis 49,80 Euro