Die Umsätze mit Bio-Lebensmitteln erholen sich in Deutschland wieder. Die Verbraucher setzen allerdings neue Schwerpunkte und kaufen preissensibler. Das Kalkül der Branche: Sinkt die Inflation, steigt die Bio-Nachfrage.
Nach einem Rückgang im Jahr 2022 drehte die Umsatzkurve der Bio-Lebensmittel im Jahr 2023 wieder nach oben. Die Ausgaben der deutschen Verbraucher nahmen um fünf Prozent zu, was zu einem Gesamtumsatz von 16,08 Milliarden Euro führte. Die Erholung ist allerdings preisgetrieben, denn die Verkaufsmengen verharrten auch 2023 auf Vorjahresniveau. Das zeigt der aktuelle «Branchenreport 2024» des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der Spitzenverband deutscher Erzeuger, Hersteller und Händler von Bio-Lebensmitteln.
Bio bremst Inflation
Bei einer Gesamtinflationsrate von neun Prozent für Lebensmittel 2023 hatten Bio-Lebensmittel laut BÖLW-Studie erneut eine bremsende Wirkung: Sie waren im Vergleich nur um fünf Prozent teurer. Zu den Gewinnern im Markt zählen der klassische Lebensmitteleinzelhandel, die Discounter und Drogeriemärkte mit einem überdurchschnittlichen Bio-Umsatzplus von 7,2 Prozent auf 10,8 Milliarden Euro. Damit stieg ihr Marktanteil auf 67 Prozent, wovon allein 40 Prozent auf die Discounter entfallen. Drogeriemärkte kamen im Trockensortiment auf einen Marktanteil von 25 Prozent dank breitem Sortiment bei günstigen Preisen. Im Vergleich zu 2019 verzeichnet der klassische Lebensmitteleinzelhandel 2023 ein Bio-Plus von 47 Prozent. Der Zuwachs über alle Einkaufsstätten lag im gleichen Zeitraum bei 31 Prozent.
Bio-Läden wieder im Plus
Bio-Läden und Bio-Supermärkte konnten im Gesamtjahr 2023 leicht positive Umsätze verbuchen. Nach einer schwächeren ersten Jahreshälfte legte der Umsatz dann im zweiten Halbjahr aber deutlich zu. Der Bio-Fachhandel zeigte sich 2023 mit 3,2 Milliarden Euro (+0,2 %) stabil. Zusammen mit seinen Nonfood-Artikeln erzielte er einen Umsatz von 3,8 Milliarden Euro. Andere Einkaufsstätten wie Reformhäuser, Hofläden, Online-Handel, Wochenmärkte, Bäckereien und Metzgereien konnten ihren Umsatz um zwei Prozent auf 2,1 Milliarden Euro ausbauen. «Nach einem Minus von 18 Prozent im Jahr 2022 ist das ein beachtliches Ergebnis», kommentiert der BÖLW. «Besonders Lebensmittelhandwerk und Wochenmärkte sorgten für ein Plus.»
Handelsmarken wachsen stark
Im Bio-Markt gibt es eine ganze Reihe an Trend-Produkten, die erheblich schneller als der Gesamtmarkt wachsen, etwa die Trockenprodukte. Verpackte Backwaren, Süsswaren und Tiefkühlkost, aber auch Brotaufstriche, Feinkost und gekühlte Feinkost zeigten 2023 jeweils zweistelligen Umsatzzuwachs. Milchalternativen, die schon seit Jahren stark zulegen, gehören mit einem Plus von 15 Prozent weiterhin zu den Publikumslieblingen. Der Anteil der Handelsmarken lag 2023 bei 56 Prozent des Bio-Umsatzes, 2022 waren es noch 52 Prozent. Wie das Null-Wachstum der insgesamt verkauften Menge zeigt, sind die Umsatzsteigerungen überwiegend preisgetrieben, nur bei einzelnen Produkten stieg auch die verkaufte Menge, so zum Beispiel bei Bio-Frischeprodukten wie Käse und Wurst. Hier haben Neulistungen der Discounter die Nachfrage angekurbelt, bei verpacktem Schnitt- und Frischkäse sogar zweistellig.
Noch grosses Potenzial
Der BÖLW führt die Absatz-Stagnation bei Bio-Produkten auf die angespannte finanzielle Situation der Verbraucher zurück. «Deshalb würde eine Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage einen Anstieg der Bio-Ausgaben bewirken», heisst es im Bericht. Dass diese Annahme zutrifft, belegt die deutliche Erholung der Bio-Fachhandelsumsätze in der zweiten Jahreshälfte 2023, als die Inflation zu sinken begann. Welches Potenzial der Markt in Deutschland noch hat, zeigt auch ein Blick auf die Pro-Kopf-Ausgaben für Bio und die Nachbarländer: Die Schweiz (441 Euro), Dänemark (369 Euro) und Österreich (287 Euro) liegen weit vor Deutschland mit 184 Euro.