e-Food: Gezielter und emotionaler

Freitag, 06. Dezember 2013
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Artikellisten einstellen genügt nicht: Wer Lebensmittel online verkaufen will, muss die Kunden emotional erreichen. Und vorher für die nötige Infrastruktur sorgen.

Lebensmittel für gerade einmal 2,50 Euro pro Kopf und Jahr bestellt der deutsche Verbraucher im Internet. In Großbritannien sind es 82 Euro. Der englische Online-Markt dient hiesigen Zukunftsdeutern daher gerne als Maßstab.Der in 2012 gegründete Bundesverband Lebensmittel-Onlinehandel zum Beispiel meint, dass e-Food bis 2015 auch hierzulande einen Marktanteil von 15 Prozent erreichen könnte. Marktforscher wie Mc Kinsey gehen von fünf Prozent bis 2020 aus.

Aber auch nur, wenn Händler die nötige Infrastruktur schaffen. Die großen englischen Filialisten bieten zum Beispiel in großem Umfang „Store Pick“ an, also die Bereitstellung online bestellter Ware an Abholstationen in oder am Markt. „Auch bei der emotionalen Zielgruppen-Ansprache sowie bei der Entwicklung spezieller Angebote für Netz-Kunden sind die britischen Händler deutlich weiter“, beobachtet Norbert Wittmann, Vorstand der Gruppe Nymphenburg. Das Münchener Beratungsunternehmen hat die Online-Kaufmotive untersucht. Care e-Food, Happy e-Food, Specialized e-Food und Controlled e-Food: Mit solchen Trend- Angeboten können Netz-Kunden überzeugt werden, erklärt Wittmann.

Care e-Food: mehr Bequemlichkeit

Bei diesem Motiv für den Food-Kauf im Netz dominieren „Easy Shopping“ und „Care“. Der Wunsch nach Bequemlichkeit und Entlastung bei Alltagsroutinen steht im Vordergrund. Doppelbelastung durch Familie und Beruf sind oft der Auslöser. Vor allem berufstätige, verheiratete Frauen mittleren Alters fallen in diese Zielgruppe. Die Belastung entsteht in vielen Fällen nicht nur durch die eigenen Kinder, sondern auch durch pflegebedürftige Angehörige. Neben dem Einkauf für die eigene Familie müssen oft auch Eltern oder Großeltern mit Lebensmitteln versorgt werden. Der regelmäßige Bedarf soll möglichst stressfrei beschafft werden. Hetze und Stress am Abend oder beim Wochenendeinkauf wird minimiert, z.B. durch elektronische Einkaufslisten,  durch Abo-Modelle oder Pakete, die eher der (Grund-)Versorgung dienen: Familienpakete, Babypakete, Biopakete oder kleine Pakete für den Seniorenhaushalt. Bestellzeiten sind häufig die Mittagspause oder der Abend.

Neben Privatkunden lässt sich diese Motivation auch auf kleine Büros und Home Offices mit entsprechenden Office-Paketen übertragen. Für das Sortiment bedeutet dies hier eher eine kleine konzentrierte Vorauswahl als ein Riesensortiment. Die  Kernartikel sind ausgerichtet auf verschiedene Zielgruppenbündel („Curated Shopping“). Sowohl Zustellung wie Abholung im Markt werden akzeptiert, wichtig ist dabei die Zeitersparnis und Stressreduktion. Und auch bei der Bestellung müssen einfache und schnelle Prozesse im Vordergrund stehen. Der Nutzen für die Händler liegt auf der Hand: Potenzialabschöpfung bestehender Kunden, Verhinderung der Abwanderung zu anderen Kanälen und langfristige Kundenbindung. Vor allem auch im Zuge des demografischen Wandels kann das Care e-Food durch seine breite Zielgruppenansprache und Ausrichtung eine große Chance für den eFood Handel bieten.

Happy e-Food: mehr Spaß

Inspiration und Anregung, der Spaß an der Nutzung dieser neuen Angebotsideen steht bei „Happy e-Food“ im Vordergrund. Der Kunde kauft nicht nur Produkte, er kauft sich einen schönen Abend. Happy e-Food inspiriert den Kunden, gibt Anregung und verführt zum Kochen. Kochrezepte, länderspezifische Erlebniswelten, Dinner-Tipps und Deko- Ideen, aber auch Gesundheitstipps gehören selbstverständlich zum Angebot dazu. Saisonale Ereignisse und spontane Entscheidungen bestimmen das Handeln. Anlassbedingte Pakete wie Picknick im Grünen, Grillfest oder Valentinstag-Dinner sind dafür Beispiele. Aber auch klassische stationäre Handelsleistungen wie Bestellungen für Feiertage, Geschenkkörbe oder Plattenservice finden hier eine breitere Verkaufschance. Das Sortiment orientiert sich an themenspezifischen Zusammenstellungen multipliziert mit der Anzahl an Nutzern. Diese Themenpakete können auch im Markt für Impulskäufer ausgelobt und angeboten werden. Gerade dadurch können Firmen ihren Markenkern aufladen und verjüngen.

Specialized e-Food: mehr Premium

Das Motivbündel Spezialised e-Food setzt sich aus den Motiven „Power-Shopping“ und „VIP-Service“ zusammen. Der Kunde möchte Connaisseur, Experte sein in bestimmten Kategorien. Er möchte zeigen, dass er sich auskennt und ein bisschen angeben können. Aber auch  Expertenrat einholen und neue Dinge entdecken sind relevante Aspekte. Riesenauswahl und Expertise finden ist wichtig. In vielen Kategorien gibt es bereits erfolgreiche eFood-Beispiele: Wein, Spirituosen, Premiumfisch und -fleisch, ausländische Spezialitäten/ Länderspezialitäten, Gewürze. Eine breite Sortimentskompetenz ist stets gefragt. Bei der Produktvermarktung sind Zitate von anerkannten Experten, Bewertungen durch andere Kunden, Auszeichnungen und Trophäen wichtig. Vor allem aber auch Story Telling rund um den Hersteller und das Produkt.

Aber auch eine gezielte, spitze Zielgruppenansprache mit immer neuen Bestellanreizen. Die klassische Zustellung steht hier im Vordergrund. Der Kunde möchte einen Service, der auf ihn abgestimmt ist. Dieser Service darf gerne auch etwas exklusiver sein. Shoppingclubs oder eine persönliche Betreuung via Chat sind hierfür Beispiele. Etablierte Händler können mit dem Specialized e-Food in die Domänen von Spezialversendern eindringen und ihr gesamtes Portfolio und Einkaufs Know-how besser nutzen und dieses sogar ihren stationären Märkten als Bestellsortiment zur Verfügung stellen.

Controlled e-Food: mehr Sicherheit

Nicht nur am stationären POS sondern auch online wünscht sich der Kunde Sicherheit beim Einkaufen. Neben dem vertrauensvollen Umgang mit persönlichen Daten besitzt hier vor allem die Preissicherheit eine große Bedeutung. Eine Vielzahl an Kunden nutzt das Internet zur Schnäppchenjagd. Homepages werden verglichen und die besten Preise gesucht. Obwohl viele Onlinehändler bereits eine Bestpreis-Garantie anbieten, wird dieses Bedürfnis durch e-Food noch nicht befriedigt. Die Preise sind dem stationären Handel höchstens angeglichen. Hier könnte sich eine weitere zukünftige Chance für den e-Food-Handel ergeben. Vor allem durch Angebote wie Mengenrabatte und Special Deals können Kunden aus anderen Kanälen abgeschöpft werden. Aber auch eine transparente Kommunikation des Liefer-/Bestellstatus und das Herausstellen von Qualitätssiegeln besitzen eine wichtige Rolle.

 

 

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Norbert WittmannNorbert Wittmann, Vorstandsvorsitzender der Gruppe Nymphenburg in München, über die Entwicklung des Online-Marktes im Lebensmittelhandel.

Kommt der Online-Vertriebskanal in der Food-Branche langsam in die Gänge?
Der deutsche e-Food-Handel steckt nach wie vor in den Kinderschuhen. Nur etwa 18 Prozent der deutschen Verbraucher geben an, dass sie bereits
Erfahrungen mit e-Food gemacht haben. Der Online-Anteil, gemessen am gesamten Food-Markt, bewegt sich bei momentan rund 0,3 Prozent.

Wie sieht Ihre Prognose aus für das Jahr 2015 und darüber hinaus?
Das wäre Kaffeesatz-Leserei. Klar ist: Der physische POS wird auch langfristig der wichtigste Absatzkanal in der Lebensmittelbranche bleiben. Dennoch stellt sich für den deutschen Lebensmittelhandel nicht mehr die Frage, ob er in e-Food investieren soll, sondern nur noch wann und wie. Denn wenn der magere deutsche e-Food-Umsatz pro Person zum Beispiel auf den englischen Benchmarkwert von 82 Euro steigt, steht ein Online-Volumen von 6,56 Milliarden Euro im Raum. Größte Chancen, davon zu profitieren, haben neben Online-Spezialisten (Wein, Delikatessen etc.) die Cross-Channel-Händler.

Welche Strategie empfehlen Sie?
Das Grundbedürfniss der Online-Kunden lautet „Easy Shopping“, also der Wunsch nach Bequemlichkeit, Stressreduzierung, Vereinfachung. Und auf der Produktebene geht es um die Entwicklung neuer, auf die Vorlieben von Netz-Kunden ausgerichteter Angebote. Alle Aktivitäten eines Händlers sollten auf diesen Grundlagen aufsetzen.