Direkt im Kundenkontakt

Freitag, 24. Mai 2019
Foto: Fotolia (1xpert)

Neue Medien und exakte Datenanalysen bieten Lebensmitteleinzelhändlern die Chance, mit Verbrauchern individualisiert und zielgerichtet zu kommunizieren. Welche Erfolgsfaktoren beim One-to-One-Marketing zählen und wann sich diese Form der Werbung anbietet.

Anfang Mai hat der Einzelhandelsfilialist Globus sein Kundenbindungsprogramm erweitert. «Wir möchten allen ‹Mein Globus›-Mitgliedern einen zusätzlichen Service bieten, daher haben wir nun eine App entwickelt, die das Einkaufen in unseren Märkten einfacher und bequemer macht», sagt Daniel Richter, Leiter Multichannel Deutschland bei Globus. Die App ist dafür konzipiert, Kunden durchgängig bei ihrem Einkauf zu begleiten. «Durch das digitale Kundenprogramm haben sie die Möglichkeit, schon im Vorfeld ihren Einkauf besser zu planen», sagt Daniel Richter. Die App zeigt den Verbrauchern Faltblatt-Angebote, den aktuellen Punktestand ihrer Kundenkarte sowie individuelle Rabatte, beispielsweise zum Tanken. Ausserdem können die Nutzer per App direkt an der Kasse ihre Einkaufsgutscheine einlösen. Durch einen Feedback-Kanal kommen die Kunden bei Bedarf direkt mit den Globus-Mitarbeitern in Kontakt.

Individualisierte Werbung

Neben dem verbesserten Service für die Kunden haben Unternehmen mit derartigen Apps und digitalen Kundenkarten allgemein die Chance, möglichst viele relevante Informationen über den Bedarf und die Fragen ihrer Kunden zu sammeln – das Einverständnis der Nutzer vorausgesetzt. Die Erkenntnisse lassen sich zum Beispiel für eine individualisierte Werbung und Aktionen nutzen. Zum Vorteil für beiden Seiten: Die Kundenzufriedenheit steigt, die Kundenbindung verbessert sich. Einzelhändler erzielen eine vergleichsweise höhere Rückmeldung zu relativ niedrigen Kosten (s. Info).

One-to-One-Marketing ist nicht neu. Als einer der Urheber gilt Don Peppers, Experte für Kundenorientierung und Gründer einer darauf spezialisierten Unternehmensberatung in den Vereinigten Staaten.  Bereits 1993 veröffentlichte er zum Thema einen Ratgeber. One-to-One-Marketing beinhaltet danach, Kunden zu identifizieren sowie zu differenzieren und interaktiv mit den Verbrauchern alle Kommunikationskanäle zu nutzen. Wer hat welche Bedeutung für das Unternehmen und wo liegt sein Bedarf?

Vernetztes Marketing im Aufbau

«Die Zukunft im Retail gehört dem One-to-One-Marketing», kommentiert Stephan Rüschen, Professor für den Lebensmittelhandel der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn. Konkret heisst das, beispielsweise ein vernetztes Marketing zwischen der eigenen Website, den sozialen Medien und mobilen Endgeräten aufzubauen. «Es geht künftig um die geschickte Übersetzung der Kundendaten in einen proaktiven Kundendialog mit dem Ziel, die Bedürfnisse der Kunden anzusprechen», beschreibt Martin Nitsche, Präsident des Deutschen Dialogmarketing Verbandes, (DDV) den Trend.

Auch Lidl ist bereits aktiv. Der Lebensmitteldiscounter startete im Mai mit seinem App-basierten Loyality-Programm «Lidl Plus» in Deutschland. Der Händler will aus dem Feedback dieses Kundenclubs Informationen generieren und sie für individualisierte Bonus- und Couponaktionen nutzen. Das Projekt läuft momentan als Pilot exklusiv und nur in Berlin und Brandenburg.

Dagegen steht die Vorteils-App in Österreich, Spanien, Dänemark und Polen bereits jedem Kunden offen. Im Prinzip handelt es sich ähnlich wie bei Globus um eine digitale Kundenkarte. Der Verbraucher registriert sich und profitiert automatisch von diversen Extras. Beispielsweise von den wöchentlichen Super-Gutscheinen, die an der Kasse eingelöst werden können.

Jeder neue App-Teilnehmer erhält einen Willkommensgutschein von 5 Euro, der ab einem Einkaufswert von 25 Euro relevant wird. Der Kunde sieht in der App, was er zu welchem Preis mit welchem Nachlass eingekauft hat. Ausserdem profitieren die Nutzer nach jedem Einkauf von einem Rubbellos, das weitere Rabatte bringt. «Jedes Los ein Gewinn», erklärt Lidl-Österreich in einem Video zur App.

Möglichkeiten nutzen

Die ermittelten Kundendaten will Lidl auswerten. Der Discounter zählt damit zu den Pionieren im professionellen Einsatz von Big-Data-Software. Nach einer Studie der Commerzbank vom vergangenen Jahr generiert nämlich die Mehrheit von 60 Prozent der Handelsunternehmen bisher keine Daten, die Wissen über einzelne Kunden und deren Konsum- und Kaufverhalten liefern. 97 Prozent der in der Studie befragten Firmen allgemein gehen aber davon aus, dass Big Data künftig weitreichende Auswirkungen auf das Geschäft in der eigenen Branche haben wird. Als wesentliche Gründe für die Zurückhaltung nennt die Studie Probleme mit dem Datenschutz, Fachkräftemangel und fehlende Bereitschaft der Führungskräfte. «Ein zentrales Ergebnis unserer Studie ist, dass viele Unternehmen im Mittelstand kein Erkenntnisproblem haben, sondern insbesondere aufgrund von internen Strukturen, Prozessen und auch mit Blick auf die Führungskultur noch nicht bereit sind für die Nutzung des riesen Potenzials von Big Data», meint Michael Reuther, Vorstand im Firmenkundengeschäft der Commerzbank. Zumindest Globus und Lidl scheinen damit kein Problem zu haben. Und Experten gehen davon aus, dass mittelfristig andere Lebensmittelfilialisten nachziehen werden.

News

Foto: Stefanie Brückner

Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

Foto: Ben Pakalski

Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

stock.adobe.com/Seventyfour

Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

stock.adobe.com/Racle Fotodesign

In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Info

One-to-One-Marketing löst das unspezifische Massenmarketing ab. So funktioniert es:

Die Basis
Grundlage sind Datenbanken, die Informationen zum jeweiligen Kunden liefern. Diese lassen sich vielfältig eruieren, etwa auch über das Surfverhalten der Kunden, Cookies oder die Nutzung der Kundenkarten.

Die direkte Ansprache
Die gesammelten Informationen werden intelligent ausgewertet, um sie für Marketing-Massnahmen zu verwerten. So kann etwa der Online-Auftritt an das jeweilige Profil angepasst werden. Einzelne für den jeweiligen Kunden interessante Produkte können selektiert und offensiv – etwa mit Rabatt – angeboten werden.

Die Effizienzkontrolle
Die Kundenzufriedenheit wird gesteigert – mit dem Effekt, einer längeren und intensiveren Kundenbindung. Wenn Kunden etwa auf ihr Smartphone eine Message erhalten, verkürzt sich die Reaktionszeit gegenüber einer postalischen Werbung deutlich. Solche Nachrichten werden in der Regel direkt gelesen, sodass sich die Reaktion des Kunden kurzfristig messen lässt.