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Branchen wie Land- und Forstwirtschaft leiden unter den Folgen der Wetterextreme bislang am stärksten. Die langfristigen Konsequenzen spüren Lebensmittelhandel und -industrie.
„Durch einen immer intensiveren internationalen Handel zwischen den Weltregionen werden Klimafolgen im Ausland auch für die inländische Wirtschaft an Bedeutung gewinnen“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Bundesregierung. Der WWF warnt: „Zukünftig wird der Klimawandel immer stärker die Verfügbarkeit, Qualität und den Preis von Lebensmitteln beeinflussen.“ Denn: Die weltweiten Agrarsysteme mit ihren engen ökologischen Nischen für Fauna und Flora sind sensibel für Wetterschwankungen mit steigenden Durchschnittstemperaturen und häufigeren Extremereignissen wie Stürmen, Dürren oder Überschwemmungen. Einen Vorgeschmack bekamen Handel und Industrie 2014, als eine einzige frostige Märznacht mit Hagelsturm die halbe Haselnuss-Ernte der Türkei vernichtete und die Weltmarktpreise um 60 Prozent anstiegen ließ. Für die Zukunft rechnet die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor allem im Mittelmeerraum wie auch in Südosteuropa und Zentralasien mit niedrigeren landwirtschaftlichen Erträgen. Daneben hat die EFSA die indirekten Folgen des Klimawandels als Risikofaktoren bei der Lebensmittelsicherheit identifiziert. So begünstigen wärmere Sommer – besonders in Kombination mit starken Regenfällen – das Auftreten von Schädlingen, Krankheiten und Unkräutern. Die Häufigkeit für Salmonellen-Infektionen beispielsweise steigt ab 5°C mit jedem Grad an wöchentlichem Temperaturanstieg um 5 bis 10 Prozent an. Auch Pilzerkrankungen wie Alternaria, der Erreger der Dürrfleckenkrankheit bei Kartoffeln, oder die Späte Rübenfäule fühlen sich in feuchtwarmem Milieu wohl. Bei Schädlingen müssen sich die Landwirte nicht nur auf einen erhöhten Befall mit Ernteverlusten durch Fraßschäden einstellen, sondern auch auf neue, eingewanderte Arten. Und ein Anstieg der Meerestemperatur kann letztlich die Vermehrung von Algen begünstigen, deren Toxine sich in Meeresfrüchten wie Muscheln anreichern und diese für den Menschen ungenießbar machen können.
Herausforderung für Forschung
Neben den Strategien, beispielsweise durch einen reduzierten Fleischkonsum und anderer Maßnahmen den Ausstoß an klimarelevanten Gasen zu reduzieren und so den Klimawandel zu verlangsamen, zielen andere Bemühungen auf landwirtschaftliche Anpassungen ab. In Deutschland forscht beispielsweise das Julius Kühn-Institut (JKI) als Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen daran, widerstandsfähigere Sorten auf den Markt zu bringen. So hat das Institut jüngst die Rebsorte Caladis Blanc vorgestellt, die Resistenzen gegen verschiedene Krankheiten kombiniert. In Arbeit sind trockenheitstolerantere Kartoffeln oder Roggen, der dank kürzerer Halme weniger bruchanfällig bei Stürmen und Starkregen wird. Das Institut für Önologie an der Hochschule Geisenheim forscht wiederum an Hefepilzen, die weniger Alkohol produzieren. Sie sollen bei Wein zum Einsatz kommen, die ansonsten durch den höheren Zuckergehalt der Trauben, der beim Anbau durch die höhere Sonneneinstrahlung entsteht, zu viel Alkohol erhalten würden. Noch eine Folge des Klimawandels.
Wandel bringt auch Chancen
Nichtsdestotrotz bietet der Klimawandel auch Chancen. Die steigende Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre – der sogenannte CO2-Düngeeffekt – stimuliert beispielsweise das Pflanzenwachstum. In kühlen und feuchten Regionen Deutschlands machen steigende Durchschnittstemperaturen den Anbau Wärme liebender Arten wie Mais, oder Hirse möglich. Auch Soja wird bislang hauptsächlich in Amerika und Asien angebaut. „Die meisten empfindlichen Soja-Sorten bilden schon bei zehn Grad keine Hülsen mehr aus“, erklärt Dr. Christiane Balko vom JKI. Um die Pflanze auch in hiesigen Gefilden anbauen zu können, sucht ihr Team gezielt nach genetischen Markern, die Widerstandskraft gegen Kälte anzeigen.
Bis es soweit ist, müssen Handel und Industrie durch vorrausschauende Einkaufs- und Beschaffungsmaßnahmen auf wetterbedingte Ertragsschwankungen reagieren. Auch Transparenz zum Verbraucher ist hilfreich, falls die Regale – wie 2014 bei den Haselnüssen – doch einmal Out of Stocks aufweisen.