Massive Preissteigerungen, schwindende Einkommen, Priorisierungen im Konsum, Wetterkapriolen und eine anhaltende Marktsättigung – dies hinterlässt deutliche Spuren im Gartenmarkt. Das Markant Magazin ONE hat mit dem Branchenexperten Klaus Peter Teipel darüber gesprochen und warum der stationäre Handel jetzt in vielfältigen Dimensionen denken sollte.
Herr Teipel, welchen Stellenwert hat Gartenarbeit für die Konsumenten?
Klaus Peter Teipel: Das Thema Garten und Urban Gardening war in der Vergangenheit und ist heute nach wie vor ein ganz wichtiges innerhalb der privaten Haushalte in Deutschland. Laut dem Freizeitmonitor sind im Jahr 2023 etwa 54 Prozent der Befragten mindestens einmal im Monat im Garten tätig geworden, 2013 lag der Wert bei 33 Prozent. Das zeigt, dass die Arbeit im Garten eine steigende Nachfrage erhält.
Wie wirkt sich die aktuelle Wirtschaftslage und Konsumkrise auf das Kaufverhalten der Shopper aus?
Klaus Peter Teipel: Nach dem witterungsbedingten schlechten Start haben insbesondere politische Einflüsse und deren Auswirkungen auf das Konsum- und Sparverhalten, massive Preissteigerungen sowie die Reiselust der Deutschen zu einer spürbar sinkenden Nachfrage im Gartenbereich geführt. Verunsicherung und Sorgen lassen das Konsumklima auf einem sehr niedrigen Niveau verharren.
Welche Aspekte beeinflussen den Markt positiv?
Klaus Peter Teipel: Was den Gartenmarkt immer positiv beeinflusst, ist die Witterung. Stimmt das Wetter, stimmt auch der Umsatz im Gartenmarkt. Doch trotz eines hohen Interesses an der Vielfältigkeit der Produkte aus dem «Grünen Markt», immer wichtiger werdenden Nachhaltigkeitsaspekten bei der Erzeugung und dem anhaltenden Einzug der grünen Sortimente in die Stadt haben sich die Konsumenten angesichts stark steigender Preise einschränken und/oder auch ihre Ausgabeprioritäten verschieben müssen – vor allem in den unteren und mittleren Einkommensklassen.
Wie hat sich der Gartenmarkt in 2023 entwickelt?
Klaus Peter Teipel: Das Jahr 2023 ist für den Gartenmarkt nicht positiv verlaufen – über alle Kategorien hinweg wurde ein Umsatz von 19,7 Milliarden Euro erzielt. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Minus von 3,2 Prozent. Allerdings ist er angesichts der schlechten Rahmenbedingungen mit einem blauen Auge davongekommen, andere Märkte haben deutlich mehr verloren. Preissteigerungen haben der Branche massiv zugesetzt, das zeigt sich auch in den einzelnen Kategorien. Während das Segment biologisch-chemischer Bedarf um 6,3 Prozent zulegen konnte, mussten die Hartwarensegmente Umsatzeinbussen von 5,8 Prozent hinnehmen. Auch Lebend Grün hat im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Prozent verloren.
Welche Vertriebswege haben verloren?
Klaus Peter Teipel: Beim Blick auf die Vertriebswege ist es deutlich zu sehen, wer verloren hat. Die fachhandelsorientierten Betriebe, sprich die Fachgartencenter, aber auch der Gartenfachhandel, die Einzelhandelsgärtnereien oder der Blumenhandel haben überproportional verloren. Der Baustoff- und Bauelementehandel sowie der Holzfachhandel haben mehr als sieben beziehungsweise mehr als acht Prozent Umsatz eingebüsst.
Gibt es auch Kanäle, die positive Ergebnisse verzeichnen konnten?
Klaus Peter Teipel: Ja, das ist zum einen der CE-/Elektrohandel, sprich Media Markt, Saturn & Co., die zwar nur im geringen Umfang Sortimente aus dem Gartenmarkt bieten, jedoch ein Plus von vier Prozent generieren konnten. Zu den Gewinnern gehören auch die Supermärkte und Discounter. Allerdings ist das nominale Plus mit zwei Prozent gering, aber man sieht, dass sich hier eine Käuferabwanderung vollzogen hat. Der tägliche Einkauf oder die häufig wiederkehrenden Besuche unter der Woche haben den Supermärkten und Discountern in die Karten gespielt. Und mit ihren Angebots-Prospekten und den darin vorgehaltenen Sortimenten das Interesse auf sich gezogen. Auch der Grillmarkt war zuletzt rückläufig.
Welche Faktoren belasten den Markt?
Klaus Peter Teipel: Das ist zum einen die Marktsättigung, zum anderen ist es der Lebenszyklus der einzelnen Produkte im oberen Preisbereich. Dadurch wird der Grillmarkt im Grunde genommen relativiert. Er kann nicht mehr so wachsen wie in der Vergangenheit, dann kommt die Vielfalt des Angebotes sicherlich noch dazu. Das Einzige, was nach wie vor läuft, ist der Zubehörbereich. Ansonsten ist der Grillmarkt von einer hohen Marktsättigung geprägt. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich trotz steigender Zahl von Anbietern gerade im Gerätebereich, da noch irgendetwas bewegen wird. Das heisst, der Kuchen wird eigentlich immer nur umverteilt.
Sie sehen keine Erholung durch Innovationen bei Grillzubehör oder Kohle?
Klaus Peter Teipel: Nein, im Moment nicht. Im High-End-Bereich mag das anders aussehen. Aber auch hier gibt es Gewinner und Verlierer. Bekannte Anbieter bieten nicht nur die klassische Herstellermarkenware an, sondern eben auch eigene Produkte, sprich Handelsmarken. Diese sind preislich attraktiver gestaltet. Und da greift vielleicht der eine oder andere zu, der keine 1000 Euro für einen Gasgrill ausgeben möchte. Dies trägt auch nicht dazu bei, dass der Markt noch wertmässig stark wächst.
Wie lautet Ihre Prognose für 2024?
Klaus Peter Teipel: Die Vorzeichen sind nicht gerade positiv. Die Energiekosten werden zumindest für den Zeitraum der aktuellen Regierungsperiode hoch bleiben und damit bleiben die finanziellen Spielräume der privaten Haushalte stark belastet. Darüber hinaus wird die Sparquote weiterhin auf einem hohen Niveau verharren. Die zurückgehenden Inflationsraten machen Hoffnung auf einen leicht anziehenden Konsum in den mittel- und langfristigen Bedarfsbereichen. Insgesamt tendiert die Konsumstimmung jedoch schwach. Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, dass es zu keiner Preistreiberei im Gartenbereich kommt.
Was heisst das konkret?
Klaus Peter Teipel: Es bedarf einer massvollen Preisgestaltung. Diese dürfte für den Gartenmarkt einer der Schlüsselfaktoren sein, um wieder etwas Schwung in die Nachfrage zu bringen. Schliesslich sind die Preise im Vergleich zu 2021 im Baumarkt um mehr als 15 Prozent und im Garten-Fachhandel um 17 Prozent gestiegen (EH insgesamt 15 %). Wenn die Gartenpreise unterhalb der Verbraucher- und Einzelhandelspreise im laufenden Jahr tendieren, dann könnte wieder ein wenig Nachfrage generiert werden. Das gute Wetter in den letzten Wochen hat gezeigt, dass die Nachfrage nach Gartenprodukten wieder da ist.
Mit welchem Umsatz ist zu rechnen?
Klaus Peter Teipel: Wir gehen davon aus, dass der Gartenmarkt nominal ein kleines Plus von 0,8 Prozent und damit einen Gesamtumsatz von knapp 20 Milliarden Euro realisieren kann. Bei günstiger Witterung und stabilen Preisen dürfte sich lediglich im Bereich Lebend Grün eine Verbesserung ergeben. Hier gehe ich von einem Plus von 1,5 Prozent aus. Hartwaren werden weiterhin volatil bleiben und mit einem leichten Minus aus dem Jahr gehen. Das Segment biologisch-chemischer Bedarf wird überproportional zulegen können. Hier rechne ich mit einem Plus von 4,4 Prozent.
Welche Wachstumsraten erwarten Sie für die einzelnen Vertriebsschienen?
Klaus Peter Teipel: Im vergangenen Jahr haben die Fachgartencenter witterungsbedingt Umsätze verloren, in 2024 wird dies das Gegenteil sein. Aufgrund des höheren Anteils von Lebend Grün, wovon ich ausgehe, dass der auch stärker wächst als der Gesamtmarkt, werden sie überproportional zulegen können. Sie werden definitiv zu den Gewinnern zählen. Die Baumärkte werden auf einem eher konstant stabilen Niveau ohne grosse Veränderungen bleiben. Leichte Impulse wird es aus dem Möbelhandel geben. Nicht zuletzt dadurch, dass das Thema Chillen direkt mit dem Gartenbereich in Verbindung steht. Somit könnte sich für die Gartenmöbel-Segmente in diesem Jahr ein kleines Plus abzeichnen.
Wie sollte sich der Handel angesichts der aktuellen Marktlage aufstellen?
Klaus Peter Teipel: Der Garten lebt von der Nachfrage, die vor allem durch die weibliche Klientel hervorgerufen wird. Der Teil der Intensivgärtner sind Frauen über 40 Jahre. Und deren Erwartungen und Ansprüche an das Sortiment sowie an die Präsentation muss der Handel gerecht werden. Eben dies basiert auf einer hohen Emotionalität. Es reicht nicht aus, einfach nur die Produkte ins Regal zu stellen. Einzelne Anbieter aus dem Möbelbereich zeigen, wie ganzheitlich und emotional der Gartenbereich präsentiert werden kann. Gefragt sind Lösungsansätze, die die ganzen Sortimentsbestandteile des Gartenbereichs darstellen und tatsächlich auch einen Mehrwert bieten können. Es gilt zu zeigen, wie schön das grüne Wohnzimmer mit all den Facetten aus dem Gartenbereich aussehen kann. Das ist für mich der zentrale Ansatzpunkt. Fakt ist: Der Handel muss neben dem Thema Kommunikation insbesondere in das Thema Präsentation der Sortimente investieren. Und er muss vor allem die Preise auf einem vernünftigen Niveau halten.