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Die deutschen Verbraucher werden immer zurückhaltender beim Kauf von Wurstwaren. Das merken auch die Markenartikler und versuchen, mit neuen Konzepten Kaufanreize zu setzen.
Der Verzehr von Fleischwaren in Deutschland stagniert seit Jahren. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei mehr oder weniger 30 Kilogramm, wie der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF) angibt. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Lebensmittelhandel am SB-Regal und an der Theke wider. Bei den Wurstwaren liegen die Gesamtverkaufszahlen vom ersten bis zum dritten Quartal 2014 laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bei rund einer Million Tonnen – das sind 1,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Ein Blick ins Detail zeigt: Die Bedientheke ist mit minus 4,4 Prozent von diesem Rückgang stärker betroffen als das SB-Regal (- 0,2 %). Das wirft die Frage auf, welche Kaufimpulse am Regal und in der Theke in einem stagnierenden Markt gesetzt werden können. „Unterm Strich ist das Halten der Vorjahresumsätze sowohl an der Bedientheke als auch im SB-Bereich ein Erfolg“, sagt Lothar Bentlage, Geschäftsleiter Vertrieb bei Rügenwalder Mühle, und vermittelt damit einen guten Eindruck, vor welchen Herausforderungen die Kategorie steht.
Verbrauchergewohnheiten im Wandel
Obwohl immer noch die Hälfte des Fleischverzehrs in Deutschland laut BVDF ausschließlich auf Fleischwaren wie Wurst und Schinken entfällt, setzen einige Wurstwarenhersteller wie Rügenwalder, Halberstädter und R&S mittlerweile auf vegetarische Konzepte. Denn die Zahl der Vegetarier, Flexitarier und Menschen, die ihren Fleischkonsum reduzieren wollen, wächst. Die Universitäten Göttingen und Hohenheim stellen in einer Studie bei 60 Prozent der Deutschen eine generelle Bereitschaft zu weniger Fleischkonsum fest. Damit einher geht das steigende Bewusstsein für gesunde Ernährung. Gerade bei diesem Thema setzen viele Hersteller mit ihren Produktkonzepten in der Kategorie Wurstwaren an. Mit fettreduzierten Wurstwaren aus Geflügelfleisch zum Beispiel: „Im vergangen Jahr haben wir in diesem Segment den Umsatz sogar um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesteigert“, sagt Martin Sonyi, Prokurist der Geschäftsleitung und Vertriebsverantwortlicher bei Fleigro. Auch bei Gutfried haben sich die Geflügelwurstsorten „weit über Plan entwickelt“, die sich speziell an die männliche Zielgruppe, die zunehmend Wert auf leichte fettarme Ernährung legt, richten. Auch eine gentechnikfreie Fütterung der Tiere wird für Konsumenten ein immer relevanteres Gesundheitsthema. So hat sich Wiesenhof 2015 wieder dazu entschlossen, nachdem Greenpeace 2014 vermehrt Verbraucher aktiviert und so enormen Druck ausgeübt hatte.
Verpackung: transparent und convenient
Wurstwaren stehen für Frische, und die will der Verbraucher auch im SB-Regal und nicht nur an der Theke sehen. Zunehmend legen die Hersteller deswegen auf ein transparentes Verpackungsdesign Wert. Gleichzeitig sollen damit auch Offenheit und Transparenz des Unternehmens selbst signalisiert werden. Siegel wie das Regionalfenster sollen diesen Eindruck unterstützen. Dem ersten Eindruck am Regal fällt sowieso die alles entscheidende Rolle zu: Maximal 45 Sekunden nimmt sich ein Verbraucher am SB-Regal Zeit, so eine hauseigene Studie von Wurstwarenhersteller Reinert. „Habe ich den Konsumenten in der Zeit nicht abgeholt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er weiterzieht“, sagt Birgit Toben, Category Manager bei Reinert. Schnelle Orientierung sei deshalb das A und O an Regal und Theke. Erfolgsversprechend zeigen sich zudem conveniente Konzepte am SB-Regal. Mit der verzehrfertigen Currywurst für die Mikrowelle hat Rügenwalder nach eigenen Angaben im SB-Bereich starke Absatzsteigerungen erzielen können. Das zeigt, dass im Bereich Snacking und Convenience neue Impulse die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf sich ziehen.
Mehr Impulse für die Theke
24 Prozent der Verbraucher kaufen nach Angaben der GfK ihre Wurst ausschließlich als SB-Ware, lediglich ein Prozent ausschließlich an der Theke. 75 Prozent der Verbraucher wechseln zwischen Theke und SB. Das bietet immenses Potenzial, Verbraucher durch eine gute Beratung und Fachkompetenz langfristig zu binden, indem eine aktive Beratung durch das Fachpersonal stattfindet. Denn „sieben von zehn Kunden entscheiden erst an der Frischetheke, welches Produkt sie kaufen“, sagt Martin Sonyi von Fleigro. Das macht eine ansprechende Präsentation der Ware in der Theke umso wichtiger. Zu diesem Zweck hat die R & S Vertriebsgruppe ein „Blumenkonzept“ für die Bedientheke entwickelt und führt dazu Schulungen für das Bedienpersonal durch. Blumenkonzept heißt: Anschnitte und Reststücke von Schinken und Salami, die häufig nicht mehr verkauft werden können, werden zu Blumen gedreht oder gerollt. Der Verkaufserfolg sei immens. In der Theke darf es auch exklusiv und regional sein. Das bietet einen erkennbaren Mehrwert zum SB-Regal. Denn für viele Verbraucher ist der Unterschied zwischen SB- und Thekenware nicht greifbar. Das hat jüngst ein Warencheck zum Thema Fleisch des Fernsehsenders Sat 1 festgestellt. Dieser behauptet, dass es bei SB- und Thekenware oft nur einen preislichen Unterschied gebe. Umso wichtiger, dass qualitative Unterschiede herausgestellt und eine fundierte Beratung an der Theke stattfinden.