Der Klimawandel sowie das Thema Arbeitskräfte werden für die Obst- und Gemüse-Branche zur Herausforderung. Digitale Technologien wie KI könnten den Druck etwas rausnehmen. Gefragt ist aber auch die Politik.
Überall auf der Welt entwickeln sich die Lieferketten für Obst und Gemüse rasant weiter. Allerdings sind die Handelsströme für frisches Obst und Gemüse nicht mehr so vorhersehbar wie noch vor einem Jahrzehnt bedingt durch die sich verändernde Verbrauchernachfrage. Das ist ein zentrales Ergebnis des aktuellen Trend-Reports «Future trends in fresh produce supply 2024» der Messe Fruit Logistica. Der diesjährige Bericht beleuchtet neu entstehende Lieferketten, neue Bezugsquellen und Markttrends, die das Geschäft mit der Frische in den nächsten Jahren verändern werden.
Hohe Preissensibilität
Für die Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) ist ein Trend ganz klar erkennbar. «Es ist deutlich zu erkennen, dass die Verbraucher sehr preissensibel sind. Angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten stehen beim Einkauf für viele Verbraucher wirtschaftliche Überlegungen und damit der Preis im Vordergrund», berichtet Dr. Christian Weseloh, Geschäftsführer BVEO e. V. Im Zuge dessen haben laut BVEO die Trends Nachhaltigkeit, Regionalität oder auch Bio in der zweiten Jahreshälfte 2024 an Bedeutung eingebüsst. Zulauf hatten die Discounter. «Diese Entwicklung könnte als Trend weiter anhalten.» Indessen werden für die Erzeuger zwei Themen zur grossen Herausforderung: «Zum einen die Zulassungssituation bei Pflanzenschutzmitteln. Und zum anderen die Verfügbarkeit von und Kosten für Arbeitskräfte. Die stetigen politischen Diskussionen um eine weitere Anhebung des Mindestlohns sind hierbei nicht hilfreich», sagt der BVEO-Chef.
Effizienz durch Technologie
In dem Kontext gewinnen Vertical Farming und KI an Relevanz, davon ist Kai Mangelberger überzeugt, Director Fruit Logistica. «Diese Technologien helfen, die Ernte zu sichern und die Abhängigkeit von externen Faktoren zu reduzieren.» Eine differenzierte Meinung hat dazu der BVEO. «Vertical Farming kann ein Thema werden. Da die Produktionskosten aber hoch sind, richtet sich das Angebot an eine zahlungskräftige Klientel». Indessen sieht der Verband in KI und Automatisierung grosses Potenzial für die Branche. Damit lassen sich arbeitsintensive Vorgänge vereinfachen oder automatisieren. Ebenso kann KI aber auch dabei helfen, den Transport zu optimieren und somit Kosten zu senken.
Die extremen Wetterlagen infolge des Klimawandels stellen für den Anbau von Obst und Gemüse, der überwiegend im Freiland stattfindet, die grösste Herausforderung dar. Unter extremen Bedingungen Pflanzen gesund zu halten, ist schwierig. «Dies gilt umso mehr, wenn wirksame Pflanzenschutzmittel fehlen. Allerdings zeigt sich der Verband auch zuversichtlich. So biete der Klimawandel die Chance, in Deutschland auch Obstarten wie Pfirsiche, Aprikosen oder Melonen anzubauen. Dennoch: Ein genereller Schutz vor allen Wetterextremen ist laut BVEO nicht möglich. Allerdings unternehmen die Betriebe einiges, um eine bestmögliche Qualität und Quantität der Ernten zu gewährleisten. Damit diese Schutzmöglichkeiten auch realisiert werden können, müsse die Politik die richtigen Förderanreize setzen. Ein weiterer wichtiger Ansatz sei die Züchtung von neuen Sorten, die gut mit den sich verändernden Bedingungen zurechtkommen. «Klar ist aber: Züchtungen brauchen Zeit».
Die Frage des Preises
Der Anbau von Obst und Gemüse wird angesichts der Folgen des Klimawandels immer teurer, was mit steigenden Verbraucherpreisen einhergehen dürfte. Indessen hängt die Preisentwicklung bei Obst und Gemüse von vielen Faktoren ab. Die Produktionskosten sind nur einer davon, weiss der BVEO. «Die Vergangenheit hat gezeigt, dass in gut versorgten Märkten die Kosten nur bedingt ein Argument für steigende Preise sind», so Dr. Weseloh. Die tatsächliche Preisentwicklung wird nach Einschätzung des Verbandes also weiterhin stark davon abhängen, wie gross das nationale und internationale Angebot ist. Die Preise für Obst und Gemüse reagieren sehr kurzfristig auf die jeweilige Angebotssituation. Zudem müsse man abwarten, wie sich die Nachfrage bei steigenden Preisen entwickelt. «Wenn Ware aufgrund hoher Preise nicht verkauft wird, ist auch niemandem geholfen. Apfelpreise von fünf Euro pro Kilogramm sehe ich mittelfristig nicht. Prinzipiell stellt sich aber für die Betriebe natürlich die Frage, ob zu den Preisen, die erzielt werden können, überhaupt produziert werden kann.»
Ein Preisanstieg nur auf einer Handelsstufe reicht jedoch nicht aus, die Kette muss durchlässig sein, sodass auch beim Erzeuger höhere Preise ankommen. Davon ist der BVEO fest überzeugt. Entscheidend sei vor allem, dass der Shopper ein Gespür dafür bekomme, wie hoch der Aufwand ist, bis sein Produkt im Supermarkt oder zu Hause angekommen ist, und wie viel Arbeit darin stecke und was die Produktion koste. Von grosser Bedeutung werden daher die Inhalte der künftigen Ver-
braucherkommunikation sein.
«Fruitful Connections»
So lautet das Motto der Fruit Logistica, die vom 5. bis 7. Februar wieder ihre Türen öffnet. Das Markant Magazin ONE hat mit Director Kai Mangelberger über aktuelle Trends und Highlights der Messe gesprochen.
Was sind die wichtigsten Trends und Treiber?
Kai Mangelberger: Die wichtigsten Trends sind weiterhin die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Automatisierung. Vertical Farming und KI gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese Technologien helfen, die Ernte zu sichern und die Abhängigkeit von externen Faktoren zu reduzieren. Unsere Branche schaut intensiv auf solche Lösungen, um nicht nur die Effizienz, sondern auch die Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu steigern.
Welcher Trend hat das grösste Potenzial ?
Kai Mangelberger: Das sehe ich bei der Digitalisierung der Lieferketten in Verbindung mit der Nutzung von KI, um Prozesse effizienter zu gestalten und Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Besonders die Anwendung von KI zur Optimierung der Logistik und Vorhersage von Nachfrage-Mustern wird von hoher Relevanz sein, um die Verfügbarkeit von Frischeprodukten zu steigern und Kosten zu senken.
In welchem Bereich erwarten Sie die interessantesten und die meisten Innovationen?
Kai Mangelberger: Von unseren drei Segmenten Fresh Produce, Machinery & Technology und Logistics ist der Machinery & Technology-Bereich sicherlich der mit der höchsten Innovationskraft. Innerhalb dieses Segments erwarten wir die meisten Innovationen im Bereich Smart Agri sowie bei Lösungen für die Lieferketten-Transparenz und -Nachverfolgbarkeit. Themen wie automatisierte Verpackungs- und Sortiertechnologien, innovative Logistikkonzepte und nachhaltige Verpackungslösungen rücken stark in den Fokus.
Wie hoch ist der prozentuale Messeanteil des Bereichs Bio?
Kai Mangelberger: Bio-Produkte sind ein bedeutender Bereich der Fruit Logistica. Die steigende Nachfrage nach biologisch angebauten Produkten wird durch die Organic-Route und unsere engagierten Bio-Aussteller hervorgehoben. Dieses Jahr werden über 180 Aussteller von zertifizierten Bio-Produkten vertreten sein, die Fachbesucher gezielt ansteuern können.
Was sind die diesjährigen Highlights und Themenschwerpunkte der Fruit Logistica 2025
Kai Mangelberger: Ich bin wie jedes Jahr gespannt auf die Nominierten des Fruit Logistica Innovation Award (FLIA), der wichtigsten Auszeichnung der Fruchthandelsbranche. Im Januar werden wir wissen, wer es diesmal unter die Top Ten für den FLIA und den FLIA Technology geschafft hat. Weil wir bereits viel über Digitalisierung und Automatisierung gesprochen haben: Diese Themen werden auf unserer Farming Forward-Bühne genauer beleuchtet. Wer mehr über Smart Agri, Greenhouse Technology und Controlled Environment Agriculture (CEA) erfahren will, ist hier genau richtig.
Wie wird der letzte Messetag der Fruit Logistica in diesem Jahr gestaltet?
Kai Mangelberger: In diesem Jahr möchten wir mit dem «Fruitful Friday» dem letzten Messetag eine besondere Bedeutung geben. Er bietet doch den Raum für tiefere, vertrauensvollere Gespräche und das nicht nur zwischen Aussteller und Fachbesuchenden, sondern ausdrücklich auch zwischen Ausstellern untereinander. Wir bieten Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und am Freitag bietet sich für jeden die Chance einmal aus seiner Halle herauszukommen und die anderen 25 Hallen zu erkunden. Dazu gibt es weitere Highlights wie die Premiere unseres Maskottchenrennen. Zum Highnoon treffen hier die Maskottchen der Aussteller mit ihren Teams aufeinander, bevor gemeinsam mit Sekt und Musik die Fruit Logistica Innovation Awards verliehen werden.