Komplexes Geschäft

Donnerstag, 30. Januar 2025
Foto: stock.adobe.com/Siniy

Der Klimawandel sowie das Thema Arbeitskräfte werden für die Obst- und Gemüse-Branche zur Herausforderung. Digitale Technologien wie KI könnten den Druck etwas rausnehmen. Gefragt ist aber auch die Politik. 

Überall auf der Welt entwickeln sich die Lieferketten für Obst und Gemüse rasant weiter. Allerdings sind die Handelsströme für frisches Obst und Gemüse nicht mehr so vorhersehbar wie noch vor einem  Jahrzehnt bedingt durch die sich verändernde Verbrauchernachfrage. Das ist ein zentrales Ergebnis des aktuellen Trend-Reports «Future trends in fresh produce supply 2024» der Messe Fruit Logistica. Der diesjährige Bericht beleuchtet neu entstehende Lieferketten, neue Bezugsquellen und Markttrends, die das Geschäft mit der Frische in den nächsten Jahren verändern werden.
 
Hohe Preissensibilität
Für die Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) ist ein Trend ganz klar erkennbar. «Es ist deutlich zu erkennen, dass die Verbraucher sehr preissensibel sind. Angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten stehen beim Einkauf für viele Verbraucher wirtschaftliche Überlegungen und damit der Preis im Vordergrund», berichtet Dr. Christian Weseloh, Geschäftsführer BVEO e. V.  Im Zuge dessen haben laut BVEO die Trends Nachhaltigkeit, Regionalität oder auch Bio in der zweiten Jahreshälfte 2024 an Bedeutung eingebüsst. Zulauf hatten die Discounter. «Diese Entwicklung könnte als Trend weiter anhalten.» Indessen werden für die Erzeuger zwei Themen zur grossen Herausforderung: «Zum einen die Zulassungssituation bei Pflanzenschutzmitteln. Und zum anderen die Verfügbarkeit von und Kosten für Arbeitskräfte. Die stetigen politischen Diskussionen um eine weitere Anhebung des Mindestlohns sind hierbei nicht hilfreich», sagt der BVEO-Chef. 
 
Effizienz durch Technologie
In dem Kontext gewinnen Vertical Farming und KI an Relevanz, davon ist Kai Mangelberger überzeugt, Director Fruit Logistica. «Diese Technologien helfen, die Ernte zu sichern und die Abhängigkeit von externen Faktoren zu reduzieren.» Eine differenzierte Meinung hat dazu der BVEO. «Vertical Farming kann ein Thema werden. Da die Produktionskosten aber hoch sind, richtet sich das Angebot an eine zahlungskräftige Klientel». Indessen sieht der Verband in KI und Automatisierung grosses Potenzial für die Branche. Damit lassen sich arbeitsintensive Vorgänge vereinfachen oder automatisieren. Ebenso kann KI aber auch dabei helfen, den Transport zu optimieren und somit Kosten zu senken. 
 
Die extremen Wetterlagen infolge des Klimawandels stellen für den Anbau von Obst und Gemüse, der überwiegend im Freiland stattfindet, die grösste Herausforderung dar. Unter extremen Bedingungen Pflanzen gesund zu halten, ist schwierig. «Dies gilt umso mehr, wenn wirksame Pflanzenschutzmittel fehlen. Allerdings zeigt sich der Verband auch zuversichtlich. So biete der Klimawandel die Chance, in Deutschland auch Obstarten wie Pfirsiche, Aprikosen oder Melonen anzubauen. Dennoch: Ein genereller Schutz vor allen Wetterextremen ist laut BVEO nicht möglich. Allerdings unternehmen die Betriebe einiges, um eine bestmögliche Qualität und Quantität der Ernten zu gewährleisten. Damit diese Schutzmöglichkeiten auch realisiert werden können, müsse die Politik die richtigen Förderanreize setzen. Ein weiterer wichtiger Ansatz sei die Züchtung von neuen Sorten, die gut mit den sich verändernden Bedingungen zurechtkommen. «Klar ist aber: Züchtungen brauchen Zeit». 
 
Die Frage des Preises
Der Anbau von Obst und Gemüse wird angesichts der Folgen des Klimawandels immer teurer, was mit steigenden Verbraucherpreisen einhergehen dürfte. Indessen hängt die Preisentwicklung bei Obst und Gemüse von vielen Faktoren ab. Die Produktionskosten sind nur einer davon, weiss der BVEO. «Die Vergangenheit hat gezeigt, dass in gut versorgten Märkten die Kosten nur bedingt ein Argument für steigende Preise sind», so Dr. Weseloh. Die tatsächliche Preisentwicklung wird nach Einschätzung des Verbandes also weiterhin stark davon abhängen, wie gross das nationale und internationale Angebot ist. Die Preise für Obst und Gemüse reagieren sehr kurzfristig auf die jeweilige Angebotssituation. Zudem müsse man abwarten, wie sich die Nachfrage bei steigenden Preisen entwickelt. «Wenn Ware aufgrund hoher Preise nicht verkauft wird, ist auch niemandem geholfen. Apfelpreise von fünf Euro pro Kilogramm sehe ich mittelfristig nicht. Prinzipiell stellt sich aber für die Betriebe natürlich die Frage, ob zu den Preisen, die erzielt werden können, überhaupt produziert werden kann.» 
 
Ein Preisanstieg nur auf einer Handelsstufe reicht jedoch nicht aus, die Kette muss durchlässig sein, sodass auch beim Erzeuger höhere Preise ankommen. Davon ist der BVEO fest überzeugt. Entscheidend sei vor allem, dass der Shopper ein Gespür dafür bekomme, wie hoch der Aufwand ist, bis sein Produkt im Supermarkt oder zu Hause angekommen ist, und wie viel Arbeit darin stecke und was die Produktion koste. Von grosser Bedeutung werden daher die Inhalte der künftigen Ver-
braucherkommunikation sein.  
 
 

«Fruitful Connections» 

So lautet das Motto der Fruit Logistica, die vom 5. bis 7. Februar wieder ihre Türen öffnet. Das Markant Magazin ONE hat mit Director Kai Mangelberger über aktuelle Trends und Highlights der Messe gesprochen. 

Was sind die wichtigsten Trends und Treiber?
Kai Mangelberger: Die wichtigsten Trends sind weiterhin die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Automatisierung. Vertical Farming und KI gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese Technologien helfen, die Ernte zu sichern und die Abhängigkeit von externen Faktoren zu reduzieren. Unsere Branche schaut intensiv auf solche Lösungen, um nicht nur die Effizienz, sondern auch die Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu steigern. 
 
Welcher Trend hat das grösste Potenzial ?
Kai Mangelberger: Das sehe ich bei der Digitalisierung der Lieferketten in Verbindung mit der Nutzung von KI, um Prozesse effizienter zu gestalten und Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Besonders die Anwendung von KI zur Optimierung der Logistik und Vorhersage von Nachfrage-Mustern wird von hoher Relevanz sein, um die Verfügbarkeit von Frischeprodukten zu steigern und Kosten zu senken. 
 
In welchem Bereich erwarten Sie die interessantesten und die meisten Innovationen?
Kai Mangelberger: Von unseren drei Segmenten Fresh Produce, Machinery & Technology und Logistics ist der Machinery & Technology-Bereich sicherlich der mit der höchsten Innovationskraft. Innerhalb dieses Segments erwarten wir die meisten Innovationen im Bereich Smart Agri sowie bei Lösungen für die Lieferketten-Transparenz und -Nachverfolgbarkeit. Themen wie automatisierte Verpackungs- und Sortiertechnologien, innovative Logistikkonzepte und nachhaltige Verpackungslösungen rücken stark in den Fokus.
 
Wie hoch ist der prozentuale Messeanteil des Bereichs Bio?
Kai Mangelberger:
Bio-Produkte sind ein bedeutender Bereich der Fruit Logistica. Die steigende Nachfrage nach biologisch angebauten Produkten wird durch die Organic-Route und unsere engagierten Bio-Aussteller hervorgehoben. Dieses Jahr werden über 180 Aussteller von zertifizierten Bio-Produkten vertreten sein, die Fachbesucher gezielt ansteuern können.
 
Was sind die diesjährigen Highlights und Themenschwerpunkte der Fruit Logistica 2025
Kai Mangelberger:
Ich bin wie jedes Jahr gespannt auf die Nominierten des Fruit Logistica Innovation Award (FLIA), der wichtigsten Auszeichnung der Fruchthandelsbranche. Im Januar werden wir wissen, wer es diesmal unter die Top Ten für den FLIA und den FLIA Technology geschafft hat. Weil wir bereits viel über Digitalisierung und Automatisierung gesprochen haben: Diese Themen werden auf unserer Farming Forward-Bühne genauer beleuchtet. Wer mehr über Smart Agri, Greenhouse Technology und Controlled Environment Agriculture (CEA) erfahren will, ist hier genau richtig.
 
Wie wird der letzte Messetag der Fruit Logistica in diesem Jahr gestaltet?
Kai Mangelberger:
In diesem Jahr möchten wir mit dem «Fruitful Friday» dem letzten Messetag eine besondere Bedeutung geben. Er bietet doch den Raum für tiefere, vertrauensvollere Gespräche und das nicht nur zwischen Aussteller und Fachbesuchenden, sondern ausdrücklich auch zwischen Ausstellern untereinander. Wir bieten Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und am Freitag bietet sich für jeden die Chance einmal aus seiner Halle herauszukommen und die anderen 25 Hallen zu erkunden. Dazu gibt es weitere Highlights wie die Premiere unseres Maskottchenrennen. Zum Highnoon treffen hier die Maskottchen der Aussteller mit ihren Teams aufeinander, bevor gemeinsam mit Sekt und Musik die Fruit Logistica Innovation Awards verliehen werden.

 

News

Foto: Sabine Grothues / METRO Deutschland

Nach einem umfangreichen Umbau eröffnete der METRO Grossmarkt in Essen im April 2025 mit einer neu gestalteten Verkaufsfläche von rund 9000 Quadratmetern.

Foto: Valora

Die Schweizer Handelsgruppe Valora wird bis April 2026 an deutschen Bahnhöfen rund 80 Convenience-Stores unter ihrer Marke «avec» eröffnen.

Foto: Fairtrade Deutschland e.V., Angela Wu

Der Umsatz mit Fairtrade-Produkten in Deutschland ist 2024 um 13 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro gestiegen und erreichte damit einen neuen Rekord.

Foto: stock.adobe.com – Africa Studio

Mit einem Investitionsvolumen von 28,3 Millionen Euro setzt Müller 2025 seine Wachstumsstrategie in der Schweiz fort.

Info

Auf der EU-Anbaufläche für Gemüse von 2 Millionen Hektar wurden im Jahr 2023 rund 54,7 Millionen Tonnen Gemüse erzeugt (AMI Markt Bilanz Gemüse 2024). Dies war zwar nur unwesentlich weniger als im Jahr zuvor (-0,3 Prozent), im Vergleich zum fünfjährigen Mittel ging die Gemüseerzeugung jedoch um knapp 5 Prozent zurück. Der geschätzte Produktionswert des Gemüse- und Gartenbaus der EU für 2023 lag bei 72 Milliarden Euro und war somit um 9,5 Prozent im Vergleich zu 2022 angestiegen. Die gegenüber dem Vorjahr wieder niedrigeren Kosten für Energie und Düngemittel dürften sich positiv auf die Gewinne der Erzeuger ausgewirkt haben. Gerade der beheizte Unterglasanbau in Mitteleuropa erfährt dadurch eine Erholung. Allein für die Produktion von Verarbeitungstomaten in der EU wird für das Jahr 2024 ein Wachstum von 4 Prozent auf 11 Millionen Tonnen im Vergleich zum Vorjahr erwartet.

Laut der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) wurden im Jahr 2023 in der EU rund 42,3 Millionen Tonnen Tafelobst erzeugt (AMI-Markt Bilanz Obst 2024). Haupterzeugerländer waren Spanien, Italien und Polen. Deutschland lag mit 1,2 Millionen Tonnen Tafelobst (minus 11,6 % im Vergleich zum Vorjahr) im EU-Vergleich weiterhin auf Rang 8. Die letztjährige europäische Obstproduktion gehörte zu den kleinsten der vergangenen zehn Jahre. Gründe hierfür waren extreme Wetterbedingungen, die besonders in Spanien und Italien den Anbau erschwert haben, sowie hohe Energie- und Düngerkosten. Insbesondere bei Äpfeln, die rund ein Viertel der Obsternte der EU ausmachen, haben sich nach zunächst guten Ernteaussichten ungünstige Witterungsbedingungen im Spätsommer 2023 negativ auf die Erträge ausgewirkt. Besonders in Polen, aber auch in Italien und Deutschland, wurden kleinere Mengen als üblich geerntet. Die Aussichten für die diesjährige europäische Apfelproduktion sind nicht besser. Im Gegenteil: Frühjahrsfröste lassen die Ernteerwartungen um 11 Prozent im Vergleich zum schwachen Vorjahr und um knapp 14 Prozent im Vergleich zum dreijährigen Durchschnitt zurückgehen. Die diesjährige Apfelproduktion der EU wird damit auf 10,2 Millionen Tonnen geschätzt.

Verlässliche Zahlen zur EU-Obst- und Gemüseernte 2024 werden erst 2025 vorliegen.

Quelle: Bundesminsterium für Ernährung & Landwirtschaft, Erntebericht 2024

 

Statements

Heimische Ware wird unter hohen Standards erzeugt. Daher unterstützt wir die BVEO gemeinsame Initiativen wie das neue, von der gesamten Wertschöpfungskette getragene Herkunftskennzeichen der ZKHL «Gutes aus deutscher Landwirtschaft». Dies kann dazu beitragen, mehr heimische Ware im Regal des LEH zu finden.  
Dr. Christian Weseloh, Geschäftsführer BVEO e.V.

Die Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich an die durch die Klimakrise bedingten Veränderungen und Unsicherheiten anzupassen, die sich direkt auf Erträge und Produktqualität auswirken. Zugleich bieten Nachhaltigkeit und Technologiefortschritte Chancen für Unternehmen, ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Kai Mangelberger, Director Fruit Logistica