Geschmack und Gesundheit sind die wichtigsten Treiber für den Kauf von Bio-Produkten, danach folgt dann erst das Kriterium Nachhaltigkeit. Daher gilt es zukünftig, die verschiedenen Bio-Kunden in den unterschiedlichen Einkaufsstätten adäquat abzuholen.
Ein erklärtes Ziel des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist es, den Ökolandbau bis zum Jahr 2030 auf rund 30 Prozent der Fläche zu verdreifachen. Die aktuelle Lage sieht so aus: In 2023 lag der Anteil an Bio-Flächen an der gesamten Landwirtschaftsfläche bei 11,2 Prozent, für die Erreichung der 30-Prozent-Marke braucht es jedoch einen jährlichen Zuwachs von 433 279 Hektar. Entsprechend des geringen Flächenwachstums verzeichnete der Umsatzanteil von Bio-Produkten am Gesamtmarkt Lebensmittel und Getränke im letzten Jahrzehnt nur einen geringen Anstieg auf 7,4 Prozent im Jahr 2023. So ein Ergebnis der Studie des IFH KÖLN «30/30: Bio-Revolution im Lebensmittelhandel». Prognosen zufolge könnte dieser in einem Best-Case-Szenario, das die Erreichung des Öko-Flächenanteils von 30 Prozent voraussetzt, bis zum Jahr 2030 auf 17,3 Prozent steigen. In der Trendentwicklung rechnen die Marktexperten des IFH KÖLN mit einem Bioanteil von 8,1 Prozent im Handel und 21,8 Milliarden Euro Umsatzvolumen. Dazu resümiert Dr. Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung am IFH KÖLN: «30 Prozent ökologische Flächen entsprechen nicht 30 Prozent Bio-Anteil im Handel. Dabei ist das Interesse an Bio hoch: 91 Prozent der Menschen in Deutschland kaufen Bio-Produkte – in unterschiedlicher Intensität.»
Bewusster Lebensstil
Fakt ist: Bio ist heute längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. So eine Beobachtung von Experten und Herstellern von Bio-Produkten. «Es ist sowohl Ausdruck eines bewussten Lebensstils als auch ein Statement für Nachhaltigkeit, Produktqualität und soziale Verantwortung», sagt Anja Leebmann, Marketingleitung der Bio-Zentrale. Bio werde zur neuen Normalität – immer mehr Menschen würden zu Bio-Produkten greifen, weil sie bewusste Ernährung und Umweltschutz miteinander verbinden möchten. Nachhaltigkeit werde für den Shopper weiter an Bedeutung gewinnen, davon ist auch Söbbeke überzeugt und sieht in der Bio-Strategie 2030 positive Effekte für die Branche. «Eine Verdreifachung des Ökolandbaus in Deutschland wird das Bio-Angebot erhöhen. Idealerweise nicht nur im Handel, sondern auch in Kantinen und Restaurants sowie in der öffentlichen Versorgung in Schulen, Krankenhäusern», so Nina Bakker, Marketingleiterin bei der Biomolkerei Söbbeke. Für Berief Food liegt der grösste Impact in der verbesserten Verfügbarkeit hochwertiger Bio-Rohstoffe und der weiteren Förderung der Regionalität. «Kürzere Transportwege helfen, den CO2-Ausstoss zu reduzieren und unterstützen unser Ziel, unsere Rohstoffbeschaffung immer regionaler zu gestalten. Dabei geht es uns auch um eine möglichst regionale Verfügbarkeit bei verschiedenen Rohstoffsorten, die in unseren Produkten verarbeitet werden», so Bernd Eßer, Geschäftsführer von Berief Food.
Trend Gesundheit
Das IFH Köln rechnet damit, dass der Zuwachs an Bio-Produkten abgesetzt wird. Denn: «Menschen setzen sich zwangsläufig mehr mit ihrer Gesundheit, aber auch der Umwelt auseinander», so Dr. Eva Stüber. Die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit, aber auch dem Anbau von Lebensmitteln und der Umwelt würden immer präsenter. Dem stimmt Bernd Eßer zu und fügt hinzu: «Des Weiteren entscheiden sich immer mehr Verbraucher aus gesundheitlichen,ökologischen und ethischen Gründen für Bio-Produkte. Dies wird zu einem Anstieg der Nachfrage und somit auch zu einem Wachstum der Bio-Landwirtschaft führen. Ob dies 30 Prozent sein werden, wird der Markt entscheiden.»
Massnahmen zur Zielerreichung
Dennoch, sollte die Nachfrage nach Bio-Produkten hinter den Zielen der Politik zurückbleiben, könnte dies zu einer Überproduktion und zu einem Preisverfall führen. «Dies würde Bio-Produkte in eine ähnliche Lage bringen wie konventionelle Produkte – der Preisdruck könnte auch die Qualität beeinträchtigen. Ein Überangebot könnte zudem den Bio-Anbau für kleinere Betriebe unrentabel machen, was langfristig schädlich für die Bio-Vielfalt wäre», erklärt Erwin Winkler, Geschäftsführer von Herbaria. Deshalb sieht der Kräuterspezialist eine Notwendigkeit darin, nicht nur die Produktion zu steigern, sondern gleichzeitig die Konsumentenaufklärung und -bindung zu intensivieren. Dem stimmt die Andechser Molkerei zu. Aus deren Sicht ist die Bio-Landwirtschaft die zukunftsfähige Art zu wirtschaften. Das müsse ins Bewusstsein der Konsumenten. Bei konventionell erzeugten Lebensmitteln seien die wahren Kosten für die Gesellschaft nicht eingepreist. Daher muss finanziell belohnt werden, wer Bio kaufe. «Ein Belohnungssystem für Biokäufer – in Form von 0 Prozent Mehrwertsteuer auf Bio-Lebensmittel – sei damit überfällig. Gerade in Zeiten, in denen die Menschen weniger Kaufkraft haben», resümiert Barbara Scheitz, Geschäftsführerin der Andechser Molkerei.