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Wird das Geld knapp werfen Verbraucher die ökologische Gesinnung schnell über Bord. Wirklich? Experten geben ein differenzierteres Bild und sagen, wie Bio doch gewinnt.
Es ist eine Zäsur in der Bio-Welt: Die Umsatzkurve für Bio-Lebensmittel ging seit Jahren nahezu kontinuierlich nach oben, seit Inflation und Kostenexplosionen Handelswelt und Konsumklima beherrschen, zeigt sie nach unten – laut Deutschem Bauernverband (DBV) sanken die Bio-Umsätze von Januar bis Oktober 2022 um 4,1 Prozent.
Dennoch erwartet der DBV auch 2022 einen Öko-Umsatz von 15 Milliarden Euro, was immer noch über dem Niveau von 2019 läge (rund 12 Mrd. Euro). Heisst: Das sehr hohe Umsatzwachstum aus der Coronazeit konnte in der Krise gehalten werden. Dabei zeigt sich allerdings ein unausgewogenes Bild bei den Handelskanälen. Während der Fachhandel und Bio-Supermärkte starke Einbussen verkraften müssen, kaufen Verbraucher bei Discount und LEH-Vollsortimenter nach wie vor Bio, greifen aber zu günstigeren Bio-Eigenmarken. Deren Umsatz legte nach Angaben der GfK-Marktforscher von Januar bis November 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12,4 Prozent zu, Marken verloren dagegen minus 6,2 Prozent; insgesamt registriert GfK für diesen Zeitraum ein Plus von 2,9 Prozent. Bio ja, nur aus einem anderen Preissegment – die Marktforscher nennen es Trading-down-Effekt.
Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin des Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN), zieht das Fazit: «Selbst, wenn aktuell eher zu den günstigeren Handelsmarkenprodukten im Supermarkt und Discount gegriffen wird, Kunden kaufen immer noch Bio. Wir sind deshalb überzeugt: Bio bleibt. Gerade jetzt.»
Preise gleichen sich an
Wie sieht es bezüglich Preisen genau aus? Peter Röhrig, Vorstand Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), erklärt: «Die Preise für Bio-Produkte steigen weniger stark als im konventionellen Bereich. Das heisst, dass sich die Preise zwischen Bio und konventionellen Produkten angleichen.» Demzufolge lag das Niveau der Verbraucherpreise für Bio-Frischeprodukte zwar im ersten Halbjahr 2022 höher als 2021 (+5,2%) – aber deutlich unter der Entwicklung bei konventionellen Lebensmitteln (+8,0%, Basis AMI-Analyse, GfK). Der Grund: Kürzere Wege bei Lieferketten und keine Abhängigkeit von teurem, schwer verfügbarem Stickstoff-Mineraldünger beim Bio-Anbau sorgen für Stabilität. Von steigenden Kosten bei Treibstoff, Energie und Personal sind Bio-Betriebe hingegen gleichermassen wie konventionelle betroffen – die Situation ist und bleibt auch 2023 fordernd.
Schluss mit Preisknallern
Der verringerte Preisabstand zwischen Bio- und konventionellen Lebensmitteln könnte sich mittelfristig positiv auf den Bio-Umsatz auswirken, wenn er auch nach einer Normalisierung der Märkte auf einem geringeren Niveau verbleiben würde. Das prognostizieren die Experten, die zum Whitepaper «Bio – quo vadis?» der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Heilbronn, beigetragen haben. Vorausgesetzt, Shopper registrieren die Angleichung. Kommunikation am POS scheint zwingend erforderlich, aber muss tatsächlich nur der Preis in den Fokus rücken?
Jörg Weiß ist Experte für Verkaufsförderung bei der Promotion-Agentur Sell & More mit langjähriger Bio-Expertise. Geht es um die Preisdiskussion, sieht er eine ganz andere Herausforderung: «Lebensmittelpreise haben bei deutschen Kunden einen zu niedrigen Stellenwert im Warenkorb. Das Bewusstsein muss sich ändern. Der Handel kann dabei unterstützen.»
Ein günstiges Angebot, so Weiß, erleichtere natürlich vielen Kunden den Einstieg ins Bio-Sortiment. Entscheidend ist aber die Vermittlung des Mehrwerts von Bio-Produkten. Die Vorteile des Produkts, nachhaltige Produktionsbedingungen oder die Wahl der Inhaltsstoffe, all das sollte eine Rolle spielen. Der Schlüssel dazu: Langfristig ausgelegte Kampagnen, Face-to-Face-Erlebnisse am POS, übergreifende Cross-Selling-Aktionen – abgestimmt auf die Klientel vor Ort.
Ausblick Biofach
Nach der einmaligen Sommer-Edition ist die Biofach in Nürnberg wieder zu gewohnter Zeit, vom 14. bis 17. Februar, Treffpunkt der internationalen Branche für Bio-Lebensmittel. Die ersten Eindrücke zu den derzeitigen Bio-Trends:
Haus Rabenhorst sieht das Thema Veggie/Vegan und flexitarische Ernährung weiter im Aufwind, ausserdem den Trend hin zu alkoholfreier Lebensweise – bedient werden die Aspekte sowohl mit dem Grundsortiment an Bio-Direktsäften als auch mit Nahrungsergänzungsmitteln auf Basis natürlicher Direktsäfte.
Berief Food wird kategorienübergreifend das Thema «Ohne Zucker» in den Fokus rücken und dabei zum Beispiel das Bio-Drink-Sortiment mit «Bio Drink Hafer Drink ohne Zucker» erweitern.
Mit dem Claim «Pure Taste. Pure Joy» möchte Rawbite, Anbieter von Snack-Riegeln, weiter auf das Wachstumspotenzial von gluten- und palmölfreiem Snacken in Bio-Qualität ohne beigefügten Zucker setzen. Entwicklungsfelder bleiben insbesondere Frucht-Nuss- als auch Protein-Riegel.
Die Neuprodukte von Dr. Karg’s werden wie gewohnt auf das Motto «Besser snacken» einzahlen. Verena Heyder, Leitung Markenmanagement Dr. Karg’s: «Konsumenten setzen sich auch bei Snacks immer mehr mit den Zutatenlisten auseinander. Natürliche Zutaten und der Verzicht auf Zusatzstoffe wie Aromen und Geschmackverstärker sind für uns entscheidende Faktoren. Die Nachfrage nach wertvollen Snack-Alternative beispielsweise zu Chips & Flips wird immer höher. Hier spielt auch das Thema Bio eine wichtige Rolle.»
Nach dem Relaunch der Marke im Oktober 2022 wird sich Lotao mit 13 neuen veganen Bio-Fertig- und Halbfertiggerichten präsentieren. Auch bei Bauckhof Naturkost sind innovative, conveniente Neuprodukte am Start, die leicht und schnell zubereitet werden können. Mit dabei: Die neuen Torten-Backmischungen in Demeter-Qualität, mit denen die Marktlücke in diesem bislang nicht besetzten Segment geschlossen ist.