Fachkräftemangel, Kostendruck und anspruchsvolle Kunden treiben die Technisierung im Handel voran. Welche Innovationen es hier gibt und woran Händler besonders interessiert sind, zeigte die Fachmesse EuroCIS.
Im Februar 2024 präsentierte die führende Messe für Handelstechnologie EuroCIS in Düsseldorf die «Hot Topics», die den Retail-Sektor momentan in besonderer Weise prägen. Bei allem Wandel: Unverändert steht im Handel der Kunde im Mittelpunkt, um diesen kreisen wie eh und je die Bemühungen. Kein Wunder also, dass die Veranstalter der EuroCIS einmal mehr die Kundenorientierung – im Branchenjargon: «Customer Centricity» – als Top-Thema der Messe sehen. Viele der ausgestellten Technologien unterstützen den Einzelhändler dabei, den Kunden stationär wie online auf multiplen, insbesondere digitalen Wegen zu erreichen und beim Einkauf zu unterstützen. Ein wichtiger Aspekt sind schnelle, bequeme und vielfältige Zahlungsmöglichkeiten. Mobile Payment per Smartphone, Scan & Go und zunehmend auch Online-Bezahlverfahren werden vom Kunden im stationären Handel gewünscht und sind damit Pflicht auf den Flächen. Weitere Schwerpunkte sind Machine Learning (ML) und Künstliche Intelligenz (KI), die im Handel zu den Schlüsseltechnologien mit Zukunftspotenzial zählen, aber auch bereits Anwendung finden. Immer wichtiger werden auch Technologien für automatisierte Ladenkonzepte und digitalisierte Handelsprozesse. Grundlage für all dies ist die fortlaufende Automatisierung von Prozessen und die Leistungssteigerung der IT-Infrastruktur, zunehmend auch durch Nutzung von Cloud-Technologien.
Effizienz steht im Mittelpunkt
Nach Beobachtung von Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI Retail Institute, waren KI-Anwendungen für unterschiedlichste Bereiche «definitiv das dominierende Thema auf der EuroCIS». Und die Vielzahl an Angeboten für die Beschleunigung des Checkouts, also der Kassenzone, nicht zuletzt dank vielfältiger Smart Shopping- und Payment-Lösungen zeigen laut Gerling ganz klar, dass Effizienzsteigerung und Kundenorientierung im Zentrum stehen. Grossen Anklang bei den Messebesuchern fanden die teilautomatisierten und komplett autonomen Stores, wobei die automatische Objekterkennung an Kassen und Waagen eine wichtige Rolle spielt und dank KI neue Leistungsstufen erklimmt. Aber auch Service-Roboter, energiesparende Electronic Shelf Labels (ESL), smarte Einkaufswagen, interaktive Kioske oder Retail-Media-Systeme stiessen auf reges Interesse.
KI treibt Automatisierung
«Besonders interessiert waren unsere Gäste an echten und sofort einsetzbaren KI-Use-Cases», so Dr. René Schiller, Global Head of Marketing bei der GK Software SE. Das Unternehmen stellte Lösungen vor, die die Personalisierung an jedem Kontaktpunkt in der Filiale ermöglichen. Schiller: «Dieser Trend wird sich unserer Ansicht nach verstärken, da sowohl eine intensivierte Kundenbindung als auch der steigende Personaldruck im Handel einen immer höheren Automatisierungsgrad erfordern, der sich nur mit Künstlicher Intelligenz erreichen lässt.»
Click & Collect an der Theke
In der heutigen schnelllebigen Einzelhandelslandschaft seien Effizienz und Genauigkeit von entscheidender Bedeutung, heisst es bei Bizerba. Einen Beitrag dazu leistet der Waagen-Hersteller mit seiner KI-gestützten Objekterkennung. Durch die intelligente Analyse von Bilddaten erfasst und identifiziert das in die Waage integrierte Kamerasystem das jeweilige Produkt, beschleunigt damit den Bedienvorgang und minimiert Fehler bei der manuellen Eingabe von Artikeln. Mit diesem KI-gestützten Ansatz arbeiten auch andere Systeme von Bizerba. Eine andere neue Lösung des Unternehmens ist «MyOrder». Damit können Kunden via Click & Collect grammgenau Artikel aus der Frischetheke bestellen und so Warteschlangen umgehen. Die individuelle Bestellmenge gewichtsbasierter Frischeartikel wird automatisch an die Thekenwaage gesendet.
Zahlen per Gesichtserkennung
Verschiedene Aussteller berichten, dass die Reduzierung von Inventurdifferenzen aktuell ein grosses Anliegen im Einzelhandel ist. Dabei rücken mit rasch wachsender Verbreitung die SB-Kassen in den Fokus. «Ein wahrer Publikumsmagnet an unserem Messestand waren die Self-Service-Lösungen, die mit Hilfe von KI, Computer Vision und Edge Computing den Kunden einen schnellen, komfortablen Checkout ermöglichen», sagt Steve Howells, General Manager DACH bei Toshiba Global Commerce Solutions. Ein wichtiger Grund dafür sei, dass diese Technologien zugleich den Einzelhändlern helfen, ihren Warenschwund zu minimieren. Auch der «Vision Kiosk» von Toshiba macht das Scannen von Barcodes überflüssig. Kameras mit Edge-Technologie erkennen die Artikel dank Computer Vision. Zudem können Kunden an dem SB-Kiosk mit kontaktloser biometrischer Authentifizierung, also per Gesichtserkennung bezahlen. Diebold Nixdorf hat kürzlich eine KI-basierte Lösung zur Betrugsprävention an SB-Kassen auf den Markt gebracht, die mit Hilfe von Smart-Vision-Technologie die häufigsten Ursachen des Warenschwunds berücksichtigt. Als Teil der KI-Plattform von Diebold Nixdorf ergänzt sie die bereits eingeführten KI-gestützten Lösungen zur automatischen Alterskontrolle oder zur Erkennung von Frischwaren ohne Barcode.
Drucker denkt mit
Abseits von KI gab es auf der EuroCIS viele interessante Neuheiten und Optimierungen auch bei den klassischen POS-Systemen zu entdecken. Citizen Systems zeigte eine neue Generation POS-Drucker. Die Serie «CT-S Typ 3» hat ein kompaktes Gehäuse und ein neues LCD-Display, das noch ergonomischer als bisher zu bedienen ist. Es bietet die Möglichkeit, Firmenlogos und Lauftexte einzufügen. Der Drucker kann so programmiert werden, dass er wichtige Meldungen anzeigt, zum Beispiel Warnungen bei niedrigem Papierstand oder Fehler. Für Unternehmen, die eine grosse Flotte von POS-Druckern betreiben, sind die Neuen abwärtskompatibel mit allen Citizen CT-S-POS-Druckern vom Typ 2, was den Betrieb einer gemischten Flotte von Citizen-POS-Geräten vereinfacht.
Interaktive ESL
Interessante Neuigkeiten gab es bei den Anbietern von elektronischen Regaletiketten. Die QUAD GmbH, ein Technologie-Distributeur für Retailtechnologie, kündigte auf der Messe die Erweiterung ihres internationalen Sortiments an. Einen Schwerpunkt bilden dabei die elektronischen Regaletiketten (ESL), denen man in den kommenden Jahren ein hohes Wachstumspotenzial prognostiziert. Noch in diesem Jahr wird QUAD die Distribution der Produkte von Hanshow in Deutschland und Österreich übernehmen. Hanshow zählt zu den weltweit führenden Produzenten von ESL mit eigener Entwicklung. Instore Solutions zeigte unter anderem den «ViviTag». Das Multicolor-Touch-ESL kann wie ein kleines Display am Regal bedient werden und Informationen zum Produkt liefern. Kunden können sich durch mehrere Register klicken und Produktbeschreibungen, Inhaltsstoffe oder auch Serviervorschläge abrufen. Die genannten Systeme und Lösungen sind nur wenige Beispiele aus dem Riesenspektrum an Neuheiten, das die EuroCIS bot. Sie bestätigen aber durchweg die Einschätzung von EHI-Geschäftsführer Michael Gerling, dass Effizienzsteigerung und Kundenorientierung aktuell im Zentrum der Entwicklung bei den POS-Systemen stehen.
Preis für Markant B2B-Plattform
Zum 17. Mal hat das EHI Retail Institute im Rahmen der EuroCIS 2024 die Gewinner der «reta awards» gekürt. In der Kategorie «Best Connected Retail Solution» wurde die B2B-Plattform der Markant ausgezeichnet.
Markant hat eine europäische Plattform ins Leben gerufen, die mit digitalen Lösungen entlang der Wertschöpfungskette als zentrale Anlaufstelle für Vorlieferanten, Industrie, Dienstleister und Händler dienen soll. Sie ist offen für alle erwähnten Teilnehmer und bietet mit einem ersten Set an digitalen Services bspw. bereits Lösungen im Bereich Stammdaten, LkSG und Reklamationshandling bei Lieferungen im Warenverkehr. Das Projekt wurde im Februar 2024 in Düsseldorf mit dem reta award in der Kategorie «Best Connected Retail Solution» ausgezeichnet. Als Projektpartner von Markant erhielt auch der IT-Dienstleister adesso die Auszeichnung als «Top Supplier Retail 2024». Die Jury aus Vertretern von Industrie, Universitäten und Forschungseinrichtungen stand vor der Aufgabe, aus zahlreichen Einsendungen in fünf Kategorien die Sieger zu bestimmen. Bei der Bewertung wurde insbesondere auf den Innovationsgrad und strategischen beziehungsweise finanziellen Nutzen der Projekte geachtet. In allen Punkten konnte das Projekt der Markant überzeugen.
Wie kann es gelingen, alle digitalen Dienstleistungen auf einer zentralen Serviceplattform abzubilden – und zwar von einem Unternehmen, das europaweit mit 15 000 Lieferanten und 200 Händlern zusammenarbeitet? Vor dieser Herausforderung stand Markant zu Beginn des Projektes. Von Anfang an war es der Anspruch von Markant, die führende B2B-Plattform für digitale Dienstleistungen für Handel und Industrie im europäischen Markt aufzubauen. An diesem Ziel haben Markant und adesso seit 2022 intensiv gearbeitet. Rund 160 Mitarbeiter aus beiden Unternehmen waren darin involviert und haben die Plattform erfolgreich gelauncht. Zeitgleich wurden noch zugehörige Leistungen in einem agilen Vorgehensmodell erstellt, zum Beispiel die Digitale Vorgangsakte, der RawMaterialMonitor, der LkSG-Service sowie der eInvoicing-Service. «Gemeinsam mit adesso haben wir in nur zwölf Monaten Entwicklungszeit die Markant B2B-Dienstleistungsplattform für Industrie und Handel im Bereich FMCG und DIY in einem MVP-Ansatz zum 31. Juli 2023 live gestellt. Beim Aufsetzen eines kundenzentrierten B2B-Customer-Journey-Modells, dem Aufbau der Plattforminfrastruktur und der Implementierung eines neuen CRM-Systems war die Zusammenarbeit immer auf Augenhöhe, um gemeinsam das Ziel zu erreichen», berichtet Mark Michaelis, Geschäftsführer der Markant Services International GmbH.