Fotos: T. Schindel, S. Brückner
Industrie und Handel sind per Gesetz dazu angehalten, beim Thema Verpackung umzudenken und zu handeln. Einblicke dazu gab im April der 3. Verpackungskongress der MARKANT in Frankfurt.
Gesetz und Gesellschaft behandeln das Thema Verpackung mit Priorität. Für die MARKANT ein Anlass, im April beim 3. Verpackungskongress in Frankfurt acht Experten das Wort zu geben. Vor rund 400 Fach- und Führungskräften aus Industrie und Handel wurde erörtert: Wie kann er aussehen, der Weg zu einer nachhaltigen Verpackung? Was ist der Stand der Dinge?
Eine erste Bilanz zu den Anläufen des Verpackungsgesetzes, das seit 1. Januar in Deutschland in Kraft ist, zog Martin Kardetzky von der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR). Nach rund 100 000 Vorregistrierungen im Vorjahr kommen Hersteller auch seit Jahresbeginn ihrer Verpflichtung zur öffentlich einsehbaren Registrierung nach. Dennoch gelte es, ihnen bei Eintragungen oder Änderungen im Verpackungsregister ihre Eigenverantwortlichkeit zu verdeutlichen, da beispielsweise eine Marken- oder Namensänderung nicht von der ZSVR durchgeführt werden kann. Auch Falschregistrierungen müsse vorgebeugt werden. Aufgrund dieser Erfahrungen – und der Tatsache, dass der zahlenmässige Bestand an Registrierungen noch längst nicht abgeschlossen ist – bedürfe es weiterhin der Aufklärung und Kommunikation, so Kardetzky. Hilfestellungen bieten dabei die detailliert ausgearbeitete Website der ZSVR oder der Katalog für systembeteiligungspflichtige Verpackungen, mit dem Verpackungen entsprechend zugeordnet werden können.
Dialog am Runden Tisch
Verpackungen vermeiden, Verpackungen umweltfreundlich und somit recycelbar gestalten sowie den Einsatz von Rezyklaten erhöhen – das sind wesentliche Ziele des «5-Punkte-Plans für weniger Plastik und mehr Recycling», den das Bundesministerium für Umwelt (BMU) entwickelt hat. Ziele, die mit den Vorgaben des Verpackungsgesetzes korrespondieren, erläuterte Dr. Matthias Klein vom BMU. Zusätzlich bringt der BMU mit der Kampagne «Nein zur Wegwerfgesellschaft» Vertreter aus Industrie und Handel an den Runden Tisch. Gemeinsam werde hier geklärt, wie beispielsweise überflüssige Kunststoffverpackungen im Einzelhandel, etwa an Obst- und Gemüsetheke, vermieden werden können. Eines der Themen, so Klein, das auch Verbraucher zunehmend beschäftigt. Gleichzeitig stellte Klein die Diskrepanz zwischen öffentlicher Sensibilisierung für das Thema Verpackung und dem hohem Verpackungsverbrauch in Deutschland dar: Mit über 100 Kilo im privaten Verbrauch stehe Deutschland mit an der europäischen Spitze. Ausserdem habe sich die Sammelqualität, Basis optimalen Recyclings, in deutschen Haushalt verschlechtert. Damit bedürfe es einer Dialogbereitschaft und Zusammenarbeit aller Beteiligten entlang der Wertstoffkette, um die Ziele zu erreichen.
Mit dem Verpackungsgesetz und dem politischen Programm des BMU wurden Voraussetzungen geschaffen, europäische Gesetzesvorgaben und Richtlinien auf nationaler Ebene umsetzen zu können. Welcher Art das europäische Engagement bezüglich Kunststoffe aussieht, stellte Emmanuelle Maire von der Europäischen Kommission dar. Die «Europäische Strategie für Kunststoffe» hat sich unter anderem vorgenommen, wirtschaftliche Rahmenbedingungen und die Recyclingqualität zu verbessern. Hierzu wird mit Interessensvertretern entlang der gesamten Wertstoffkette an Innovationen und Investitionen an kreislauforientierten Lösungen gearbeitet - die Reduzierung von Kunststoffabfällen hat dabei oberste Priorität. Zusätzlich unterstützt die Strategie Konzepte auf globaler Ebene. Maire führte weiter aus, wie speziell der Einsatz gegen Vermüllung Erfolge zeige: Das Europäische Parlament hat aktuell unterschiedliche Massnahmen für den jeweiligen Umgang mit den zehn häufigsten Wegwerf-Kunststoffen gebilligt, die an europäischen Stränden gefunden werden – dazu zählen Plastikbesteck, Wattestäbchen und Take-away-Verpackungen.
Mit Aufklärung zur Effizienz
Dr. Thomas Fischer, Head of Market Intelligence & Covernmental Affairs der Landbell AG für Rückholsysteme, blieb auf europäischer Ebene und umriss Aspekte des EU Abfallpakets - konkret die Revisionen zu den EU Abfall- und Verpackungsrahmenrichtlinien 2018. Für Deutschland gilt, dass einige der gestellten EU-Anforderungen, wie die erweiterte Herstellerverantwortung, bei der sich Hersteller stärker an den Entsorgungskosten zu beteiligen haben, bereits mit den Vorgaben des Verpackungsgesetzes korrespondieren. Bei den formulierten Recycling-Zielen der EU für beispielsweise Kunststoffe (55% bis 2030) oder Glas (75% bis 2030) hat Deutschland die Quoten bereits 2019 übertroffen (58,5% bzw. 80%).
Aus den EU-Richtlinien für Elektro- und Elektronikgeräte (Weee Open Scope) und Batterien ergeben sich für Hersteller keine direkten Änderungen, erläuterte der Experte. Allerdings bestehe vor allem beim Thema Batterien für Hersteller und Verbraucher Informations- und Aufklärungsbedarf, um Sammelquoten zu erreichen und die Recyclingeffizienz zu erhöhen.
Verpackung als Werbung
Wie kann er nun aussehen, der Weg zu einer nachhaltigen Verpackung? Peter Désilets, Geschäftsführer der Pacoon GmbH, einer Agentur für Packungsdesign und Nachhaltigkeit, beginnt mit seinem Team den Prozess unter anderem mittels einer Lifecycle-Analyse oder einer Packungs-CO²-Analyse, anhand derer ein Unternehmen seinen Status Quo definieren kann. Daraus ergibt sich das weitere Vorgehen, um ein Verpackungskonzept hinsichtlich Transports, Logistik und Lebensdauer zu optimieren. Désilets beschrieb weiter, welche Überlegungen für ein Unternehmen grundlegend sein sollten – von der Prüfung, ob und wieviel Verpackung überhaupt notwendig ist, über Design und Wahl des Verpackungsmaterials bis hin zu seiner Recycelfähigkeit. Für Désilets zählt die Verpackung zu den wichtigsten Kommunikations- und Werbemitteln, die ein Unternehmen nutzen kann – und vor allem nutzen sollte, um das Umwelt-Image des Unternehmens zu transportieren. Schliesslich: Nur sichtbare Neuheiten nimmt der Konsument wahr, so Désilets.
Mit welchen Problemen Unternehmen zu kämpfen haben, ein Verpackungskonzept zu realisieren, machte Thomas Reissig deutlich, Geschäftsführer der Verdesoft GmbH. Seiner Erfahrung nach sind die Prozessabläufe innerhalb der Unternehmen häufig zu komplex und langwierig, um ein Konzept in einer den Bedürfnissen angepassten Zeit auf den Markt zu bringen. Ein Unternehmen könne selbst Einfluss auf die Agilität der Verpackungsentwicklung nehmen, indem es beispielsweise die mitarbeitende Team-Grösse optimiere, um Kommunikationswege gering zu halten, führte Reissig aus. Genauso sei es hilfreich, Ergebnisse in allen Stadien der Entwicklung permanent zu überprüfen, um den aktuellen Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Reissig stellte das Vorgehen von Verdesoft vor, das dank der Fusion einer Verpackungsdesign-Agentur mit einem Ingenieurbüro für Verpackungstechnik für zügige Entscheidungen, kurze Arbeitsphasen mit ständigen Erfolgskontrollen steht. Ergänzend erleichtern Musterproduktionen in Kleinserien, die umgehend zu Marktforschungszwecken eingesetzt werden können, die Durchführung eines Verpackungskonzeptes.
Wie Verpackungslösungen von morgen durch partnerschaftliche Kooperationen gestaltet werden können, präsentierte Rüdiger Nölleke, Regional Sales Director der Stora Enso GmbH Germany. Dabei verfolgt das Unternehmen die Vision, Materialien auf fossiler Basis durch erneuerbare zu ersetzen, das heisst primär auf der Basis von Holz. Im Lebensmittelbereich stehen Produktdesigns im Vordergrund, die den Kernzweck haben, das Produkt zu schützen. In enger Zusammenarbeit mit Forschungs- und Entwicklungszentren, zahlreichen Unternehmen und Start-ups entstehen so kunststoffersetzende Lösungen - beispielsweise für Fertiggerichte, Getränke, Kaffee, Eis oder Nudeln, aber auch für kosmetische Produkte. Nur durch eine enge Partnerschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit Markeninhabern, Kunden und Start-ups kann die Beschleunigung des Wandels hin zu nachhaltigen Verpackungslösungen gelingen, schloss Nölleke.
Ökobilanz versus Quoten
Den Beitrag der Umweltbewertung zur Verpackungsdiskussion steuerte Benedikt Kauertz bei, Bereichsleiter des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu). Kauertz stellte die Bewertungselemente für eine Ökobilanz dar und wies anhand des Beispiels der Mehrweg- und Einweg-Getränkeverpackungen auf die Vielschichtigkeit der Thematik hin. Für Mehrweg-Gebinde wurde bereits vor Jahrzehnten gegenüber den konkurrierenden Einweggebinden ihre umweltseitige Überlegenheit festgehalten. Derzeit entsprechen Mehrweg-Gebinde der vorgegebenen Abfallhierarchie in den Punkten Verpackung vermeiden bzw. nachhaltig und recycelbar gestalten. Dennoch stelle sich die Frage, ob diese Einstufung sachgerecht ist. Kauertz Resümee: Der gesetzliche Mehrwegschutz reflektiere nicht mehr die neusten Ökobilanzergebnisse. Sinnvoll sei es, anstelle einer Mehrweg-Quote von künftig 70 Prozent, eine Zielquote für eine «optimierte Getränkeverpackung» zu definieren, bei der es sich um eine «gute Mehrweg- als auch um eine optimierte Einweg-Lösung» handeln könne.