Thomas Schindel
Höher, schneller, weiter – hat sich der Mensch bisher durch Sport, lebenslanges Lernen, medizinische Eingriffe und Therapien optimiert, wird ihm das in der Zukunft durch die Digitalisierung des eigenen Körpers zusätzlich gelingen. «Technik und Mensch verschmelzen mehr und mehr», prophezeit Biohacker Dr. Patrick Kramer. Er skizziert was passiert, wenn Technik unter die Haut geht, der Mensch zum Cyborg wird. Kramer selbst trägt Implantate, unter anderem, um ohne herkömmliche Schlüssel durch Türen zu gelangen. Was vielen noch suspekt ist, relativiert er: «Ohrringe, Piercings, Spiralen, Herzschrittmacher, künstliche Hüftgelenke – schon lange tragen die Menschen körperfremde Teile unter der Haut.» Der Visionär selbst hat keine Scheu, mit den reiskorngrossen Mikrochip-Implantaten zu experimentieren, die er auf Wunsch auch seinen Kunden einsetzt. Unbedenklich seien sie, versichert er und zitiert einen Notfallmediziner, der die neuen Möglichkeiten aus einer ganz anderen Perspektive sieht: «Wir könnten bis zu 20 Prozent mehr Leben retten, wenn die Patienten ein Mikrochip-Implantat hätten, auf dem die lebenswichtigsten medizinischen Infos hinterlegt sind.» Das gibt zu denken. Mutet Kramers «schlüssellose Lebensweise» wie eine nette technische Spielerei an, zeigt er mit diesem Beispiel Möglichkeiten auf, die das Leben verlängern können. Unweigerlich, so Kramer, werde die Reise hingehen zum «augmented human», zum erweiterten Menschen, der – mithilfe künstlicher Bausteine – in Zukunft «intensiver leben» werde.
Länger leben mithilfe von Technik
Vor dem Hintergrund derartiger Zukunftsaussichten für die Menschheit befasst sich Prof. Dr. Rüdiger Safranski wiederum mit dem Aspekt der Menschlichkeit und wie es um ihre Zukunftsaussichten eigentlich steht. Zunächst einmal macht der Philosoph Hoffnung: «Der Mensch wird niemals seine Menschlichkeit verlieren.» Es sei aber zu befürchten, dass wichtige Aspekte des Menschseins verloren gingen, wie etwa die Freiheit. Vor diesem Hintergrund warnt Safranski davor, vor der Künstlichen Intelligenz (KI) in Demutsstarre zu verfallen. Im Gegenteil: «Je intelligenter die Maschinen werden, desto grösser wird die Herausforderung, im Kontrast zur maschinellen Intelligenz zu begreifen, was wir menschlichen Geist nennen und was unlösbar mit ihm verbunden ist und niemals in einer Maschine verbaut werden kann.» Safranski macht auf vier Aspekte aufmerksam, die mit dem menschlichen Geist unlösbar verbunden sind: «Zum einem ist der menschliche Geist in Gefühle eingebettet, die ihm eine andere Beweglichkeit geben als die durch Algorithmen und Logik automatisierten Verfahren der Künstlichen Intelligenz.» Zweitens charakterisiere sich der menschliche Geist durch sein Vermögen, sich selbst wahrzunehmen und zu relativieren. Der Philosoph nennt dies «Bewusstsein des Bewusstseins.» Als dritten Aspekt nennt Safranski die Fantasiebegabung: «Unser Geist ist eine unerschöpfliche Quelle von Fiktionen, die besonders dann, wenn sie von mehreren geteilt werden, unser wirkliches Leben bestimmen. » Viertens sei der menschliche Geist geprägt durch eine moralische Dimension. Anders als ein fest programmiertes System entscheide er jeden Schritt neu – nach bestimmten Regeln wie Zweckmässigkeit oder eben auch Moral. Damit der menschliche Geist immer die Oberhand über die Maschine haben wird, resümiert Safranski zum Ende seines Vortrages: «Es bleibt nur der Geist der Demokratie: Die digitale Revolution muss unter die demokratische Kontrolle gezwungen werden.»