«Wir können nur viel erreichen, wenn wir viele erreichen»

Montag, 25. März 2024
Foto: Unternehmen

Mit rund 20 000 Partnerbetrieben zeigt reCup, dass  Mehrweglösungen in der Gastronomie umsetzbar sind – und das vor allem einfach und kosteneffizient. Das Markant Magazin ONE hat mit Gründer Fabian Eckert darüber gesprochen, wie das Unternehmen die Antwort auf die seit 2023 geltende Mehrwegangebotspflicht bietet und über die Zukunftspläne von reCup.

Herr Eckert, wie und wann entstand die Idee von reCup?
Fabian Eckert: Florian Pachaly, mein Mitgründer, und ich hatten unabhängig voneinander im Studium die Idee für ein Pfandsystem. Uns störte der hohe Verbrauch von Einwegbechern am Unicampus. Glücklicherweise sind wir mit der Idee auf dieselbe Person zugegangen, die uns vernetzt hat. Wir haben dann überlegt, wie Coffee-to-go ohne Müll funktionieren könnte und uns am deutschen Flaschenpfandsystem orientiert. Um eine flächendeckende Variante des Systems testen zu können, starteten wir im November 2016 ein Pilotprojekt in Rosenheim. Das System kam bei den 26 Testpartnern gut an. Im Mai 2017 folgten bereits 50 weitere Partner in München. 
 
Welche Vision verfolgen Sie dabei?
Fabian Eckert: Unsere Vision ist es, ein nachhaltiges und zirkuläres Ökosystem für eine Welt ohne Einwegverpackungen zu schaffen.
 
Wie unterscheiden Sie sich von anderen Mitbewerbern? 
Fabian Eckert: Unser System basiert auf Zugänglichkeit und Verfügbarkeit. Wir sind davon überzeugt, dass Mehrweg nur dann zum Standard werden kann, wenn es einfach, überall, schnell und kostengünstig funktioniert. 
 
An welchem System orientiert sich Ihre Mehrweglösung?
Fabian Eckert: Unsere Mehrweglösung orientiert sich am Deutschen Flaschen-Pfandsystem für Glas- und Dosen. Das Mehrwegsystem ist für Verbraucher durch den niedrigen Pfand-Gegenwert, nur einen Euro für den RECUP und fünf Euro für die REBOWL, einfach und kostenlos nutzbar. Das Prinzip des Pfands ist allen Altersgruppen bekannt und bedarf keiner Erklärung. Es gibt keine Hürden in Form von App-Downloads oder Daten- und Zahlungsangaben. Jeder kann auf unkomplizierte Weise Einwegmüll einsparen. Unser Mehrweg-Poolsystem ist praktisch, unkompliziert und inklusiv. 
 
Wo können die Konsumenten die Becher und Schalen abgeben?
Fabian Eckert: Kunden können die Schalen bei jeder der über 20 000 Partner-Gastronomien zurückgeben, wodurch ein deutschlandweites und enges Pfandnetz entsteht. Unser System ist unkompliziert, so dass es sich leicht in den Betriebsablauf unserer Gastronomie-Partner integrieren lässt. Partnerbetriebe leihen sich bei uns die benötigte Anzahl an RECUPs und/oder REBOWLs aus und geben die Behälter gegen denselben Pfandbetrag an ihre Kundschaft aus. Durch einen monatlichen Nutzungsbeitrag sind die Kosten für Mehrweg fix und kalkulierbar. Im Gegensatz dazu ist ein Pay-per-use-System nicht so planbar. Bei einer fixen Gebühr hingegen können mehr Kosten für Einwegverpackungen eingespart werden, wenn mehr Mehrwegverpackungen ausgegeben werden.
 
Wie hat sich die Branche seit Ihrem Einstieg verändert?
Fabian Eckert: Zunächst gab es bei unserem Start im Jahr 2016 noch keine Mehrwegbranche. Die Corona-Pandemie hat das Problem «Einweg» beschleunigt und den Menschen den immensen Verbrauch an Einwegmüll vor Augen geführt. Gleichzeitig hat die Corona-Pandemie die Gastronomiebranche hart getroffen und To-go ist für viele Gastronomiebetriebe zu einem wichtigen Standbein geworden. Wir haben die Zeit genutzt, um unsere REBOWL schnell aus der Testphase in den Markt zu bringen. Der Bedarf ist rasant gestiegen und mit der Einführung der Mehrwegangebotspflicht in Deutschland wurde das Thema Mehrweg viel mehr in der Öffentlichkeit thematisiert. Wir sind stark gewachsen und haben unser Ausgabestellennetzwerk von 10 000 auf 20 000 verdoppelt.
 
Wo sehen Sie in Sachen Mehrweg noch Handlungsbedarf?
Fabian Eckert: Die Mehrwegpflicht war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Leider wurde sie nicht konsequent umgesetzt. Es gibt wenige bis keine Kontrollen und zu wenig Begleitung seitens der Politik. Vor allem ging die Pflicht an den Verbrauchern vorbei. Um die Umsetzung zu verbessern, braucht es seitens der Politik klare Vorgaben, konkrete Massnahmen und die Stärkung eines ganzheitlichen Bewusstseins für Mehrweg in der Gesellschaft. Der grösste Hebel für höhere Mehrwegquoten wäre die konsequente Abschaffung von Einwegalternativen.
 
Wie viel Kohlenstoffdioxid konnte durch Ihr Mehrwegsystem eingespart werden? 
Fabian Eckert: Da wir ein analoges System anbieten, setzen wir auf niedrige Hürden bei der Entscheidung zu Mehrweg und auf eine inklusive Zugänglichkeit für die Verbraucher. Die Behälter in der Gastronomie müssen also nicht gescannt werden, um aus- oder zurückgegeben oder wieder befüllt zu werden. Daher können wir nicht lückenlos tracken, wie viele Behälter wir täglich bei allen 20 000 Gastronomiestandorten einsparen. Wir haben aber Zahlen von einzelnen Grosskunden. Zum Beispiel konnten wir mit einem unserer Partner aus der Mineralölbranche innerhalb eines Jahres 1,3 Millionen Einwegbecher einsparen. Bei einem unserer Betriebsgastro-Partner waren es 55 000 Einwegverpackungen in einem Jahr. In einer Studierendenmensa konnten wir in einem Jahr rund 125 300 Einwegverpackungen einsparen, und bei einem Hotel in Frankfurt waren es 260 Einwegbecher in acht Monaten. 
 
Wie kann ein Unternehmen in das reCup-System einsteigen?
Fabian Eckert: Die Gastronomiebetriebe leihen sich die Mehrwegbehälter gegen einen Pfandbetrag von einem Euro je RECUP beziehungsweise fünf Euro je REBOWL aus. Dieser Pfandbetrag wird anschliessend durch die Ausgabe der Mehrwegbehälter an die Kundschaft wieder zurückerhalten, sodass hierbei für die Gastronomiebetriebe keine Kosten entstehen. Für die Teilnahme am System und die Nutzung der RECUPs und oder REBOWLs fällt, je nach Laufzeit, ein monatlicher Beitrag von circa 30 bis 45 Euro an. Partner können entscheiden, ob sie RECUPs und REBOWLs gemeinsam anbieten wollen oder sich für eines der beiden Produkte entscheiden. 
 
Wo werden die Cups und Bowls hergestellt?
Fabian Eckert: Wir pflegen ein regionales Netzwerk aus Produzenten und Logistikern; alle unsere Dienstleister sind in Deutschland ansässig. Auch hier liegt uns ein persönliches Miteinander, gute Beziehungen und Nachhaltigkeit am Herzen: Wir halten die Lieferwege kurz und kennen die Betriebe. Der Bezug der Rohmaterialien für unsere Becher, Deckel und Schalen findet innerhalb der EU statt. Unsere Produkte sind aus 100 Prozent Polypropylen (PP) gefertigt, lebensmittelecht, hitzebeständig bis zu 95 Grad Celsius sowie leicht und bruchsicher. Da sie aus «wertstoffreinem» Material sind, können sie nach der Nutzung vollständig und mit geringem Energieverbrauch recycelt werden. 
 
Sie haben 2023 den deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie «Verpackung» gewonnen. Welche Pläne und Ziele haben Sie für die Zukunft?
Fabian Eckert: Wir können nur viel erreichen, wenn wir viele erreichen: Es bedarf vieler Konsumenten, vieler Gastronomiestandorte, vieler Partner und auch vielem politischen Willen, Mehrweg zum Standard zu machen. Eines unserer Ziele ist es, unseren 
Impact über unser operatives Geschäft hinaus messbarer zu machen und weiter zu verbessern sowie weitere Kreisläufe entlang unserer Wertschöpfungskette zu schliessen. Und natürlich beschränkt sich das Problem «Einwegmüll» nicht auf Deutschland. Wir haben also noch viel vor uns!

News

Foto: Stefanie Brückner

Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

Foto: Ben Pakalski

Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

stock.adobe.com/Seventyfour

Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

stock.adobe.com/Racle Fotodesign

In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

 

Steckbrief

Bevor Fabian Eckert 2016 zusammen mit Florian Pachaly reCup gründete, studierte er an der TU München Technologie- und Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre, berufsbegleitend Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule für angewandtes Management sowie Leadership for Sustainability an der Universität Malmö.
 
Danach sammelte der heute 35-Jährige bei verschiedenen Unternehmen erste Berufserfahrungen im Bereich Produktmanagement und IT.  
 
Sieben Jahre nach der Gründung erhielt das Münchner Unternehmen den 16. Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Verpackung.