Handels-IT steht unter Dampf

Montag, 22. Februar 2021
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Die Digitalisierung des Handels hat im Corona-Jahr 2020 noch einmal an Dynamik gewonnen. Dieses Jahr wollen Händler in der DACH-Region ihre Systeme weiter ausbauen – und setzen dabei klare Prioritäten.

Das vergangene Jahr habe im Handel alle Planungen auf den Kopf gestellt, heisst es beim EHI Retail Institute. Bis zum Schluss mussten Händler ihre Erwartungen an die Umsätze neu anpassen, Entscheidungen des Gesetzgebers wie die Senkung der Mehrwertsteuer ad hoc umsetzen, Sicherheitsmassnahmen für Kunden und Mitarbeiter in den Filialen installieren – und auch Antworten auf den Online-Boom finden. Vor diesem Hintergrund wäre die Fachmesse EuroCIS im März 2021 für Einzelhändler aller Branchen wie gerufen gekommen, um sich einen Überblick über die aktuellen digitalen Trends und Neuheiten zu verschaffen, sie wurde aber wegen der Corona-Pandemie abgesagt.

Deutsche Händler erhöhen IT-Budgets
Welche Konsequenzen der Handel in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz aus dem vergangenen Jahr für die Planung 2021 zieht, hat das EHI in diversen Umfragen ermittelt. Ein Ergebnis ist, dass die deutschen Händler 2021 ihre IT-Budgets erhöhen werden. Die meisten Befragten möchten die Bereiche IT/Technische Infrastruktur und E-Commerce/Vertriebskanäle stärken. Über 60 Prozent wollen mehr in diese Bereiche investieren als in den vergangenen Jahren.
Cetin Acar, IT-Experte beim EHI, sieht die Digitalisierung auch deshalb als das treibende Thema, weil die Handelsunternehmen innerhalb kürzester Zeit neue Rahmenbedingungen für ihre Mitarbeiter schaffen mussten, damit diese von überall auf Daten zugreifen und ortsunabhängig arbeiten konnten. Die IT-Verantwortlichen im Handel gaben zu Protokoll, dass diese Veränderungen nachhaltig sind und auch nach Corona bestehen bleiben. Eine weiterhin starke Entwicklung verzeichnet die Cloud. Ihre Stärke ist, dass die Unternehmen Dienstleistungen bedarfsabhängig innerhalb kurzer Zeit in Anspruch nehmen können, ohne dafür eigene Hard- und Software bereithalten zu müssen. Auch die Skalierbarkeit und die damit gewonnene Flexibilität versprechen Vorteile. Von der anfänglichen Skepsis des Handels gegenüber Cloud-Lösungen sei mittlerweile nichts mehr zu spüren, so das EHI. Allerdings schaue er bei der Auswahl seiner Partner immer noch ganz genau auf Sicherheit und Datenschutz.

Ein weiterer anhaltender Trend ist Connected Retail, die Verschmelzung der verschiedenen Vertriebskanäle. Dafür bedarf es der Abstimmung der verschiedenen Kanäle und damit auch der Systeme aufeinander – eine Herausforderung für die IT. «Ideal ist es, wenn man den Konsumenten dabei eindeutig identifizieren und auf den verschiedenen Kanälen beraten und begleiten kann», so das EHI.

Händler erschliessen sich Künstliche Intelligenz
Spannend geworden ist die Entwicklung bei den kassenlosen Stores, welche ohne Personal auskommen. Im neuen Format tegut…teo (s. Markant Magazin 2/2021) etwa können die Kunden 24/7 einkaufen und ihren Bedarf unabhängig von Öffnungszeiten decken. Auch der Schweizer Markant Partner Valora setzt seine Strategie für innovative Self-Checkout-Lösungen konsequent fort. Bereits im April 2019 hatte das Unternehmen den kassenlosen Convenience-Store avec box lanciert. Weitere Projekte folgten. Einen weiteren Schub erhalten diese Systeme auch durch ein derzeit verändertes Zahlungsverhalten, indem auch kleinere Beträge verstärkt bargeldlos und oft auch kontaktlos bezahlt werden. Beim EHI erwartet man, dass dieser Trend auch nach Corona erhalten bleibt.

In einer weiteren Umfrage des EHI unter 38 grossen Handelsunternehmen (mit mindestens einem digitalen Vertriebskanal) in Deutschland, Österreich und der Schweiz rangiert die Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) ganz weit oben bei den Trends der Zukunft. KI gilt als Schlüssel für automatisierte Produktempfehlung sowie Personalisierung und Individualisierung. Fortschritte beim Einsatz von KI hat bereits die Globus-Gruppe gemacht – und auch die Erkenntnis gewonnen, dass sich solche IT-Invests bezahlt machen.

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

KI in der Logistik

Globus CR / Der Markant Partner Globus CR betreibt in der Tschechischen Republik 15 Warenhäuser und hat einen wichtigen Teil seiner Supply-Chain digitalisiert. Dabei kommen KI- und Machine-Learning-Lösungen von Blue Yonder zum Einsatz. Diese beinhalten eine KI-gestützte Bedarfsplanung, dank derer sich die zu erwartende Nachfrage jedes einzelnen Produkts prognostizieren lässt. Unter anderem ging es Globus um das Verringern von Überhang nach einer Promotion, der anderweitig benötigte Lagerkapazitäten belegt. Erste Erfolge hätten sich schnell eingestellt, bestätigt man bei Globus CR: «In den Sortimenten, in denen wir die KI-gestützten Bestell- und Automatisierungslösungen eingesetzt haben, hatten wir 20 Prozent weniger ausverkaufte Ware und konnten unseren Überhang nach einer Promotion um rund 40 Prozent verringern.»

Neuer 24/7 avec-Store

Valora / Im avec-Store am Hardplatz in Zürich können Kunden seit Ende Januar 2021 auch sonntags einkaufen. Während von Montag bis Samstag tagsüber weiterhin Personal anwesend ist, funktioniert der avec-Shop am Sonntag autonom. Zutritt, Einkauf und Bezahlung erfolgen dann über die avec- App, die dem Kunden quasi als persönlicher Ladenschlüssel dient. Nach Aufhebung der Corona-Beschränkungen soll das Einkaufen hier an allen Tagen nachts möglich sein. Mit dieser 24/7-Lösung setzt Valora ihre Self-Checkout-Strategie fort. Bereits im April 2019 hatte das Unternehmen den kassenlosen Convenience-Store avec box an mehreren Standorten lanciert.

Lockdown

Digitaler Startschuss
Der Lockdown ab Dezember 2020 war für viele Händler mit stationärem Geschäft ein Startschuss, die eigene Online-Präsenz zu verbessern. Das hat das ECC Köln bei einer Befragung von 242 KMU-Händlern im Januar 2021 erfahren. So haben 41 % der stationären Händler die Zeit genutzt, ihren Online-Shop zu optimieren oder auszubauen (33 %). Zeitgleich hat etwa jeder zweite Händler die Zeit des Lockdowns mit Aufräumarbeiten im Lager (51 %) oder der Pflege von Stammdaten (42 %) verbracht. Die komplette «ECC Paymentstudie Vol. 25» ist ab April im IFH-Shop verfügbar.