Digitale Vorbilder gesucht

Freitag, 05. Mai 2017
Foto: Fotolia.com/Andrey Popov

Die digitale Transformation stellt den Handel vor Herausforderungen. Ein Bremsschuh ist der Mangel an IT-affinen Mitarbeitern. Das IFH Köln hat ermittelt, was dagegen zu tun ist.

Berufsprofile verändern sich, die Art des Zusammenarbeitens verändert sich, die Ansprüche des Kunden verändern sich – und entsprechend werden auch die Anforderungen an das Personal im Handel neu gewichtet. Fast acht Prozent der Jobprofi le im Handel sind allein in den vergangenen fünf Jahren weggefallen, und mehr als die Hälfte haben sich verändert. Gleichzeitig sind aber auch viele neue entstanden. Das zeigt die IFHSchwerpunktstudie „Shift happens: Wie die digitale Transformation die Anforderungen an das Personal verändert.“ 

Allein im E-Commerce sind von 2011 bis 2016 rund 30 Prozent neue Profile entstanden. Auf die Frage „welche neuen Jobprofile sind in Ihrem Unternehmen konkret entstanden?“ nennen 19,7 Prozent der Handelsmanager „Data Analyst“, es folgten mit jeweils 16,2 Prozent „Social-Media-manager /Analyst“ und „Online-Marketing-Manager“. Darüber hinaus werden die Berufsbilder „Digital Media Designer“, „E-Recruiter“, „Social Media Recruiter“, „E-Learning Autor“ und „Software Architekt“ genannt. Die ersten personellen Schritte sind also gemacht. Dennoch hätten „viele Handelsunternehmen noch einen langen Weg vor sich“, sagen die Autoren der Studie.

Ganz neue Jobprofile 

Ein Indiz dafür ist der „digitale Reifegrad“, der im Schnitt der befragten Handelsunternehmen bei nur 3,6 auf der Skala von 1 bis 7 liegt. Allerdings ist hier eine hohe Varianz festzustellen: Neben Händlern mit sehr schwacher digitaler Performance gibt es auch viele deutlich bessere. Wie unterschiedlich die Unternehmen mit digitalen Aktivitäten umgehen, zeigt die Delegation von Verantwortung. Bei 85 Prozent ist die Zuständigkeit für digitale Aktivitäten auf Unternehmensebene geklärt: In Unternehmen mit hohem digitalen Reifegrad werden verstärkt auch Einzelpersonen höheren Rangs ausschließlich mit digitalen Aktivitäten beauftragt.
 
Generell betrachten die deutschen Händler ihr digitales Know-how als stark ausbaufähig – sowohl in Bezug auf Technologien als auch in Bezug auf Prozesse, Strategien und Geschäftsmodelle. So beurteilten nur 23,6 Prozent der Befragten das Know-how in ihrem Unternehmen bezüglich digitaler Technologien mit gut und sehr gut. Das Know-how bezüglich digitaler Prozesse, Strategien und Geschäftsmodelle beurteilten sogar nur 20,8 Prozent als (sehr) gut. 
 
Mut zu Veränderungen
 
Die wichtigste Maßnahme zur Sicherstellung des digitalen Know-hows ist, unternehmensintern digitale Talente zu identifizieren, weiterzubilden und einzusetzen. Hieran arbeiten aktuell bereits knapp 41 Prozent; in Zukunft steht es bei 52 Prozent auf der Agenda. Auf Platz zwei der Maßnahmen steht das Rekrutieren digitaler Spezialisten und Talente durch Ausschreibungen oder auch Headhunter. So sehr der Handel von der Notwendigkeit neuer personeller IT-Ressourcen im Unternehmen überzeugt ist, so widersprüchlich ist seine Beurteilung, welche Mitarbeiter-Kompetenzen für eine erfolgreiche digitale Transformation entscheidend sind. Nur 53 Prozent der Händler sehen das digitale Know-how per se als wichtig für die digitale Transformation. „Welche Kompetenzen eines Mitarbeiters sind entscheidend bei der digitalen Transformation, wenn nicht das digitale Knowhow?“, kommentieren die Autoren der Studie diese Einstellung. 
 
Die mitunter überraschenden Ergebnisse bestätigen, wie wichtig eine Neuausrichtung der Personalentwicklung im Handel ist, sie führen aber auch vor Augen, dass im Handel ein grundsätzliches Umdenken stattfinden muss, um der digitalen Transformation erfolgreich begegnen zu können. „Ihr Personal kann der Schlüssel zum Erfolg werden!“, appellieren die IFH-Experten an den Handel. Zunächst seien – vom CEO bis zum Abteilungsleiter – „digitale Fahnenträger“ gesucht, die „mit Mut zu Veränderungen vorangehen“. 
 
 

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3 Fragen an

Dr. Eva Stüber, Leiterin Research & Consulting, Institut für Handelsforschung Köln

Welche Mitarbeiter-Kompetenzen sind für die digitale Transformation gefragt? 
Die Digitalisierung erfordert nicht nur neues Wissen zu Technologien, sondern auch zu Prozessen, Strategien und Geschäftsmodellen. Dafür brauchen Mitarbeiter grundsätzlich digitale Bereitschaft, Interaktionsbereitschaft – auch die Bereitschaft, vom Kunden her zu denken – und vor allem Bereitschaft zum Wandel. Auch bei Führungskräften sind Digitalkompetenzen gefragt, etwa die Bereitschaft, abseits etablierter Hierarchien zu arbeiten. 

Wie kann der Handel seine Attraktivität für IT-Kräfte erhöhen? 
Der Handel braucht nicht nur gute IT-Kräfte, sondern generell Personal, das offen für Veränderungen ist und diese auch mitgestalten möchte. Dieses zu finden, gelingt aktuell Handels-Start-ups besser als klassischen Händlern, denn ihnen wird ein Vorsprung in den Bereichen innovative Brands, Standort und Gestaltungsmöglichkeiten zugeschrieben. An diesen Punkten gilt es nachzurüsten, um im ITBereich überhaupt ins Relevant-Set von geeigneten Kandidaten zu kommen. 

Welche Möglichkeiten haben KMU im digitalen Wettlauf? 
Es können nicht alle Herausforderungen alleine gestemmt werden. Es hilft der Zusammenschluss in kooperierenden Systemen oder zumindest der punktuelle Austausch zu ausgewählten Themen, das Hinzuziehen von Experten und die Ergänzung von Kompetenzfeldern. Einzelkämpfer werden den digitalen Wettlauf nicht gewinnen.

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IFH-Schwerpunktstudie_2016.pdf(1.71 MB)