Die City neu beleben

Montag, 25. Januar 2021
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Der innerstädtische Handel steht massiv unter Druck. Die BBE Handelsberatung hat zehn Massnahmen identifiziert, wie sich die City stärken lässt. Dabei spielt der Lebensmittelhandel eine wichtige Rolle.

Als wären Digitalisierung und neue Kundenpräferenzen nicht genug: Im Zuge von Corona hat sich die Situation des stationären Einzelhandels in kleinen wie in grossen Kommunen noch einmal dramatisch verschlechtert. «Das gefährdet das wirtschaftliche Ökosystem der Innenstadt sowie die Lebensqualität in den Zentren», lautet ein aktueller Befund der BBE Handelsberatung. Der Handelsverband Deutschland untermauert dies mit seiner Trend-Umfrage im Dezember 2020 unter 500 Handelsunternehmen. Danach sieht sich ein Drittel der Einzelhändler in Existenznöten. «Die Lage ist nach wie vor insbesondere in den Innenstädten dramatisch. Das in normalen Jahren so umsatzstarke Weihnachtsgeschäft könnte 2020 für bis zu 50 000 Händler in die Insolvenz führen», sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Ein Leben nach Corona

Die BBE sieht Corona aber nicht als alleinige Ursache für die akuten Probleme, sondern quasi als Brandbeschleuniger einer schon länger schwelenden Krise: «Was für viele Städte und Betroffene nicht neu ist, hat durch die Folgen der Coronakrise nun eine dramatische Dimension angenommen.» Im Ergebnis nehme die Leitfunktion des Einzelhandels für die Innenstädte immer weiter ab. Brisant auch laut BBE: Jeder fünfte Verbraucher (21 %) will zukünftig noch häufiger online statt in klassischen Geschäften einkaufen. Die Handelsexperten sind allerdings überzeugt, dass es soweit gar nicht erst kommen muss – und haben zehn Massnahmen identifiziert, mit der sich die Widerstandsfähigkeit der Innenstädte stärken lässt.

Die wesentliche Erkenntnis ist, dass die Attraktivität und Aufenthaltsqualität in der City gesteigert werden müssen. Dabei spielt den City-Händlern die demografische Entwicklung in die Hände. Denn viele Menschen, gerade auch die jüngeren, verlieren die Lust an weiten Fahrten zum Einkaufen und schätzen die Versorgung in der Nachbarschaft. Dazu zitieren die BBE-Experten den Lebensmittelhandel. Dessen Beispiel zeige, dass sich das Mobilitätsverhalten der Menschen ändert. Zuletzt hatten Nahversorger in der Nachbarschaft neuen Zulauf, während die Grossflächen vor den Toren der Stadt Frequenz einbüssten. Die BBE erwartet, dass dieser Trend unabhängig von Corona anhält. Ihr Argument: Weil die Distanzsensibilität der Verbraucher zunimmt, ihre Preissensibilität aber sinkt, entscheiden zunehmend Nähe und Angebotsqualität, ob das physische Ladengeschäft aufgesucht wird oder eben nicht. «Im Ergebnis sollten Händler lieber eine etwas kleinere Fläche nah beim Kunden wählen als eine grosse Fläche, die schwer erreichbar ist», raten die Autoren der Studie.

Strategien für die Innenstadt

Ein unübersehbarer Trend ist das Wohnen in der Innenstadt. Vor allem junge, karriereorientierte Menschen messen urbanen Lebensstilen mehr Wert zu als dem Wohnen im Grünen. Aber auch Ältere zieht es wieder aus den Vororten in die City. Indem Wohnraum über der Erdgeschosszone mit Geschäften errichtet wird und gemischte Quartiere mit Anwohnern und Händlern entstehen, erhöht sich automatisch die Grundfrequenz in der Innenstadt. Auch Markant Partner greifen diesen Trend in ihrer Standortentwicklung auf und gehen mit kleineren Supermärkten gezielt in die City.

 

Urban

Markant Partner beleben die City
Im Dezember 2020 hat tegut seinen ersten Supermarkt in München eröffnet, und zwar wie zuvor schon in vielen anderen Städten in zentraler Lage. Der Markt befindet sich in der Nähe des Hauptbahnhofs, des Stachus und des Alten Botanischen Gartens im sogenannten Elisenhof. Gleich­zeitig testet das Unternehmen am Stammsitz in Fulda ein neues, digitales Kleinstladenkonzept für die lokale Nahversorgung, das mit dem «Innovationspreis des Handels 2020» ausgezeichnet wurde.

Die Bünting Gruppe testet ein neues City-Format. Im Juli 2020 ging mitten in Oldenburg der neue «Combi City Markt» mit 450 Quadratmetern Verkaufsfläche an den Start (Bericht im Markant Magazin 11/2020). In Ergänzung zum Einkaufen gibt ein Automat direkt neben dem Markt Lebensmittel rund um die Uhr aus. Zielsetzung dieses Konzeptes ist es, die Nahversorgung in der Innenstadt zu verbessern.

 

 

 

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Die Top-10-Strategien für die City

Für vitale Innenstädte im «Leben nach Corona» hat die BBE Unternehmensberatung zehn Strategien entwickelt.

1.Nähe zahlt sich aus
Das Beispiel des Lebensmittelhandels zeigt, dass sich das Mobilitätsverhalten der Menschen ändert. Es entscheiden zunehmend Nähe und Angebotsqualität, ob das stationäre Geschäft aufgesucht wird oder nicht. Statt grosser Flächen ausserhalb sollten Händler lieber eine etwas kleinere Fläche nah beim Kunden wählen.

2. Wohnen in der Innenstadt
Eine Stadt der kurzen Wege kann den demografischen Trend nutzen, um die Grundfrequenz in der Innenstadt zu erhöhen. Zum Beispiel, indem Wohnraum über der Erdgeschosszone mit Geschäften errichtet wird. Gefragt sind gemischte Quartiere.

3. Gastronomie – das neue Shopping
Die Gastronomie wurde lange Zeit als ergänzende Nutzung in Handelslagen gesehen. Vor Kurzem war jedoch zu beobachten, dass die einzelhandelsnahe Gas­tronomie einen regelrechten Boom erlebte. Gastronomie stärkt den Erlebnischarakter des Einkaufens, erhöht die Verweildauer und auch die Kundenfrequenz.

4.Branchenvielfalt macht attraktiv
Vielfältige Angebote erzeugen mehr Kaufanreize, schaffen Clustereffekte und Agglomerationsvorteile. Ein aktives City- oder Stadtteilmanagement kann mit gezielten Betriebsansiedlungen einen positiven Einfluss auf den Branchenmix nehmen.

5.Individuelle Serviceangebote punkten
Innenstädte und Einzelhändler können auf Krisen wie einen Shutdown verstärkt mit Service reagieren, zum Beispiel mit Lieferservice und Click & Collect, mit telefonischer und Online-Beratung. Besonders nach der Krise wird es darauf ankommen, den Kunden mit Serviceangeboten die Vorteile der innerstädtischen Einkaufs- und Erlebnislandschaften schmackhaft zu machen.

6. Digitale Sichtbarkeit
Auch stationäre Geschäfte müssen heutzutage online sichtbar sein. Nur ein Online-Shop reicht dafür aber nicht aus. Der Faktor Mensch spielt bei der Digitalisierung eine grosse Rolle, der Kunde will emotional angesprochen werden. Lokale Quartiersinitiativen und Online-Plattformen geben auch Händlern mit geringen Ressourcen eine Präsenz im Internet.

7. Freizeit – Mehrwert für die Innenstadt
Nicht allein fürs Einkaufen, sondern auch wegen der Aufenthalts-, Kommunikations- und Erlebniswelten ziehen mehr Menschen in die Innenstadt. Gewinner der Zukunft sind Innenstädte, die verstärkt auf städtebauliche Qualitäten mit Kultur- und Freizeitfunktion setzen.

8. Tourismus belebt die Innenstadt
Nach den ersten Kontaktbeschränkungen war spürbar, dass insbesondere der deutsche Inlandstourismus wieder in die Städte zurückkehrt.

9. Veranstaltungen sind Grundfunktion
Die Innenstadt nimmt eine wichtige Funktion wahr, in der sich die Bedürfnisse der Menschen nach Wohnen, Arbeit, Bildung, Versorgung und Erholung erfüllen. Mit der zunehmenden Digitalisierung gewinnt die Stadtmitte als Ort der Kommunikation (wieder) an Bedeutung.

10. Kreatives Leerstandsmanagement
Selbst überschaubarer Leerstand hat Auswirkungen auf das Image einer Geschäftslage. Kreative Zwischennutzungen können für freie Flächen eine Lösung sein. Ein Beispiel ist Pop-up-Living: Innerstädtische gewerbliche Leerstände werden als neuer Wohnraum genutzt.