Superkräfte fürs Regal

Montag, 28. Februar 2022
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Von Super-Alge bis Super-Wurzel, vom Duschgel bis zum Heissgetränk – der Superfood-Boom reisst nicht ab. Konkurrenz bekommen die bisher meist exotischen Wunderzutaten von regionalen Alternativen.

Avocado, Chia, Kurkuma, Quinoa oder Süsskartoffel – die Liste der sogenannten Superfoods ist lang. Erst recht seit sich der Fokus von Herstellern und Verbrauchern auch auf die «Superkräfte» von heimischem Obst, Gemüse oder Saaten richtet, wie etwa Himbeeren, Sanddorn oder Sonnenblumenkerne. Laut GfK profitierte «klassisches» – also heimisches – Superfood im Vergleich von 2017 bis 2021 sogar etwas stärker vom Verbraucherinteresse als «modernes» – exotisches – Superfood.

Begriff aus dem Marketing
«Allgemein bezeichnet «Superfood» Lebensmittel, die besonders gesund sein sollen und uns mit wertvollen Vitaminen, Spurenelementen oder Mineralien versorgen können», erklärt Sarah Krisl, Leiterin PR und Social Media bei Kneipp. Eine offizielle Definition oder allgemeingültige Regularien zur Verwendung der Bezeichnung «Superfood» gebe es nicht, da es sich um einen Marketingbegriff handelt. «Enthält ein Produkt gesunde Obst- und Gemüsesorten, Gewürze oder Ähnliches kann es ein beliebtes Superfood-Produkt auf dem Markt werden», berichtet Krisl.

«Definiert man Superfood relativ eng im Sinne von exotischen Superfoods, dann sind es vor allem Convenience-Produkte mit Superfoodzutaten, die beliebt sind und auch von den Kunden preislich honoriert werden», ergänzt Otto Strecker, Agrar-Marketing-Spezialist bei der AFC Consulting Group. Monoprodukte wie Chia-Samen seien vergleichsweise teuer und würden nicht zuletzt deshalb auch nur «in überschaubaren Mengen» über den LEH vertrieben. «Als verarbeitete Convenience-Produkte leisten sie aber einen Imagetransfer auf das Gesamtprodukt, das dann vom besonderen Renommee der Superfoods profitieren kann», sagt Strecker.

Exotik macht interessant
Auch in einem weiteren Punkt unterscheiden sich erfolgreiche Superfood-Produkte von «normalen» gesunden Lebensmitteln wie Äpfeln oder Sauerkraut. «Es ist vor allem eine Kombination von Heilsversprechen und der Exotik ferner Länder, die diese Produkte in der Wahrnehmung besonders interessant macht», sagt Otto Strecker. Die Mystik von Azteken, Inkas, tibetischen Mönchen oder altägyptischen Göttinnen bilde dafür die Basis. Sie mische sich mit touristischen Sehnsüchten und vor allem mit gesundheitsbezogenen Erwartungen sowie Nachhaltigkeitsaspekten. «Heimischen Superfoods fehlen wesentliche Bestandteile dieser Werttreiber», sagt Strecker. Leinsamen werden daher weniger als Superfood wahrgenommen als Chia-Samen und Johannisbeeren weniger als Goji-Beeren, wie eine Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung von 2020 zeigt: Die höchsten Zustimmungswerte in der Wahrnehmung als Superfood erreichten hier Chia-Samen (70 % der Befragten) und Goji-Beeren (65 %), bei Hafer oder Johannisbeeren überwog die Wahrnehmung als Non-Superfood.

Mehrwert und Regionalität
Egal ob Sanddorn oder Spirulina: Superfood-Produkte bedienen mehrere Verbrauchertrends. Dazu zählen nach Aussage der Hersteller ein «gesteigertes Gesundheitsbewusstsein» sowie der «Wunsch, gesunden Lebensstil mit Genuss zu verbinden» (Teekanne), «natürliche Inhaltsstoffe» (Kneipp), eine «Ernährung mit Mehrwert» (Allos) – aber auch «Nachhaltigkeit», «Regionalität» und die «Rückbesinnung auf Tradition». «Aus unserer Sicht rücken deshalb heimische Superfoods verstärkt in das Verbraucherinteresse», sagt Dennis Lange, Marketingleiter der Bio-Zentrale. «Lokale Superfoods wie Leinsamen, Hirse oder Grünkohl, die als ebenbürtige Pendants zu den exotischen Produkten aus dem Ausland gesehen werden können, weisen hier nicht nur eine bessere Klimabilanz auf, sondern verfügen über ebenso viele wichtige Inhaltsstoffe.»

Zielgruppe Frauen
Doch wer kauft die mit heimischen oder exotischen Powerzutaten verfeinerte Lebensmittel? Vor allem Frauen, wie etwa Prof. Dr. Ulrike Detmers von Mestemacher, Anbieter von Broten mit dem Superfood «Ölsaaten», beobachtet hat: «Die Auswertung unserer Online-Aktivitäten 2021 zeigt, dass zwei Drittel der Käufer Frauen sind. Davon sind zwei Drittel älter als 30 Jahre.» Auch Solpuro, Anbieter convenienter Avocado-Produkte wie Guacamole oder mit Avocado verfeinerter Fruit Bowls, sieht eine Tendenz zu weiblichen Konsumenten: «Sie interessieren sich stärker für Themen rund um gesunde Lebensweisen sowie qualitativ hochwertige Lebensmittel», sagt Gründer Nicolaus Vorwerk. «Zudem stehen sie neuen, innovativen Produkten aufgeschlossener gegenüber.»

Exotisch und regional
Beim Kosmetik- und Pflegeproduktehersteller Kneipp hat man dagegen beobachtet, dass der Begriff «Superfood» vorrangig eine eher jüngere Zielgruppe anspreche – die Inhaltsstoffe an sich seien jedoch käufergruppenübergreifend gefragt. «Dabei gibt es die Tendenz, dass ältere Zielgruppen schneller zu traditionellen Inhaltsstoffen wie Sanddorn greifen und jüngere Zielgruppen eher nach Rezepturen mit Cranberry oder Büffelgras suchen», sagt Sarah Krisl. Sich zwischen Altbekanntem und neuen Einflüssen zu entscheiden, müsse jedoch nicht zwingend sein: So vereine der Hersteller in seinen Dusch- und Pflegeprodukten etwa Sanddorn und Kurkuma oder Safran, Marone und Sheabutter.
Beliebte Superfoods zusammen bringt auch Allos bei seinen Brotaufstrichen: «Mit Superfoods sind längst nicht mehr nur Chia-Samen und Acai-Beeren gemeint», sagt Marketingdirektorin Sandra Spremberg: «Ob Linsen, Spinat oder Paprika, die Verbraucher wissen, was ihnen guttut und gut schmeckt.»  

Superfoods der Zukunft
Welche Superfoods den Markt gerade besonders ankurbeln, unterliegt immer wieder wechselnden Trends. «Nach wie vor sind in unserem Sortiment Produkte mit der Trendzutat Ingwer besonders beliebt», sagt Jesper Petersen, Marketingleiter bei Teekanne. «Aber auch die Superfood-Zutat Hanf ist zunehmend gefragt.» Neben den Superfrüchten, -algen, -samen oder -wurzeln werden darüber hinaus völlig neue Ernährungsansätze als Superfood gehandelt: Etwa die Produktion von Insektenproteinen oder der Verzehr von Quallen – die in der asiatischen Küche als Delikatesse gelten.

 

Marktüberblick

Deutschland: Der Markt für Superfood-Produkte wächst laut GfK Consumer Panel (FMCG) seit Jahren konstant und hat 2021 gegenüber 2017 beim Umsatz um 46 % zugelegt. Dabei profitiert «klassisches» Superfood» (aus den Bereichen Obst, Gemüse, Gewürze, Nüsse, Öle und Fisch) sogar etwas stärker als «modernes» Superfood (aus zum Teil gleichen Bereichen). Besonderen Zuwachs erzielten aus beiden Bereichen umsatzstarke Kategorien wie Brokkoli, Knoblauch, Spinat, Ingwer, Avocado, Heidelbeeren, Himbeeren, Pistazien, Cashew, Kirchererbsen sowie Lachs.
Quelle: GfK Consumer Panel (FMCG)

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Statements

Sowohl bei der Ernährung als auch im Kosmetik- und Hautpflege-bereich zeigt sich deutlich: Konsumenten achten verstärkt auf natürliche Inhaltsstoffe – am besten aus ökologisch und sozial nachhaltigen Quellen. Klar im Vorteil ist dabei Regionales wie heimische Früchte, Beeren, Gemüse- oder Nusssorten, die vor der Verarbeitung zum Endprodukt keine weiten Transportstrecken zurücklegen mussten, doch auch die positive Wirkung von exotischen Lebensmitteln wie beispielsweise Kurkuma oder Safran wird aktuell gerne genutzt.
Sarah Krisl, Leiterin PR und Social Media bei Kneipp

Das Besondere an den Geschichten rund um die exotischen Superfoods ist, dass sie sich auf Mythen beziehen und demnach vage bleiben. Die Schönheits-elixiere ägyptischer Göttinnen haben es ebenso wenig nötig, sich über konkrete Gehalte an Inhaltsstoffen zu positionieren wie die Pflanzenheilkraft tibetischer Mönche oder das Urgetreide der Azteken. Was Anbieter heimischer Superfoods benötigen, sind daher Mythen und Geschichten aus einer ferneren Vergangenheit, über die man heute nur noch wenig weiss. Diese bilden einen möglichen Resonanzboden für das wertmässige «Aufladen» der jeweiligen Produkte.
Otto A. Strecker, Vorstand der auf die Food Value Chain spezialisierten AFC Consulting Group AG sowie Honorarprofessor für Agrarökonomie an der Universität Bonn

Superfoods gelten als wahre Allroundtalente und bieten daher vielfältige Verwendungs-anlässe. Ob zum Kochen, als Topping im Müsli oder Smoothie, in Brot und Backwaren oder als Verfeinerung in Desserts – Superfoods bereichern viele Speisen. Gerade diese Vielseitigkeit ist es, die Superfoods so spannend macht und im Handel für Kaufimpulse im Regal sorgt.
Dennis Lange, Marketingleiter Bio-Zentrale

Natürlich kennen wir die kontroverse Diskussion um die Umweltbilanz von Avocados. Deshalb ist es uns umso wichtiger, zum Schutz der Umwelt beizutragen und künftig noch mehr Aufklärungsarbeit zu leisten und die Avocado von ihrem oft schlechten Ruf zu lösen. Wir haben für den Anbau der Avocados Michoacán ausgewählt – eine subtropische, regenreiche Region in Mexiko, die komplett ohne künstliche Bewässerung auskommt. Zudem sind wir ClimatePartner: Emissionen, die bei Produktion und Transport entstehen, werden von uns zu 100 Prozent durch die Unterstützung verschiedener Waldschutz- und Aufforstungsprojekte ausgeglichen. Auf unseren Verpackungen weisen wir auf unsere Klimaneutralität, unsere Klimaprojekte und den Wasserverbrauch hin.
Nicolaus Vorwerk, Gründer Solpuro

Als Wachtums-treiber sehen wir ökologische Brote und Backwaren mit Chia und Hafer, Quinoa und Amaranth, Dinkel und Saaten sowie High Protein Brote.
Ulrike Detmers, Geschäftsführende Gesellschafterin und Vorsitzende der Geschäftsführung Mestemacher

Produkte

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