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Die Deutschen trinken wieder mehr Bier. Um davon zu profitieren, sollte der Handel jedoch sein Sortiment permanent aktualisieren, denn für Zuwachs sorgen vor allem die Neuheiten im Markt.
Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) ist der Bierverbrauch im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, um 2,3 Prozent auf 5,9 Milliarden Liter. Auch der Umsatz von Bier und Biermixgetränken lag 2016 mit rund 7,25 Milliarden Euro um 1,7 Prozent unter dem Wert des Vorjahres, wie eine Auswertung von Nielsen zeigt. Aber: Eine genaue Betrachtung legt offen, dass der Bierdurst der deutschen Verbraucher nicht weiter abgenommen, sondern im Gegenteil sich wieder stabilisiert hat. Denn im vergangenen Jahr fehlte gegenüber 2015 eine ganze Kalenderwoche. „Lässt man diese außen vor, ist der Markt für Bier und Biermixgetränke auf Jahressicht stabil geblieben – sogar mit Blick auf die vergangenen drei Jahre“, betont Marcus Strobl, so der Spezialist für den Bier-Markt beim Marktforschungsunternehmen Nielsen.
Sorten für bewussten Ernährungsstil
Es deutet einiges im Markt darauf hin, dass die Stabilisierung der Nachfrage keine kurzfristige Erscheinung ist, sondern ein länger anhaltender Trend sein könnte. Denn das Wachstum im Biermarkt wird auch getragen von Sorten und Produkten, die mit einem bewussten Lebens- und Ernährungsstil in Einklang stehen. Dazu gehören die alkoholfreien Biere und die Biermischgetränke mit ebenfalls reduziertem Alkoholgehalt genauso wie das boomende Segment der Craftbiere mit ihrem handwerklichen Ursprung, die Spezialitäten mit ihren besonderen Geschmacksversprechen und oft regionaler Herkunft und auch die – meist hochpreisigen – Importbiere, die den Nerv der probierfreudigen und anspruchsvollen Konsumenten treffen. Die Marke Heineken beispielsweise ist seit ihrem Markteintritt 2009 heute das viertstärkste 6-Pack im Pils-Segment geworden. Neben dem „Import-Nimbus“ zählen für die Zielgruppe offenbar auch die besonderen Flaschengrößen von 0,25-Liter und 0,4-Liter als Kaufargumente.
Zu den erfolgreichen Newcomern gehören die naturtrüben Radler. Auffallend ist, dass gerade die regionalen Marken aktuell verstärkt mit neuen Sorten auf den Markt gehen. Für Biermarktkenner Strobl ist das ein gutes Beispiel für die „Wechselwirkung von Regionalität und Spezialitäten“. Spezialitätenbiere, zu denen Keller-, Land- und Festbiere gehören, verzeichneten 2016 ein Umsatzplus von 8,1 Prozent. Helle Biere konnten ihren Umsatz um 5,7 Prozent steigern. Zudem wird Lagerbier zunehmend beliebter und hat um acht Prozent beim Umsatz zugelegt.
Wertschöpfung mit hochpreisigen Spezialitäten
Der Trend zum Hell- (Umsatz 2016: 481 Mio. Euro) und Spezialbier (Umsatz 2016: 401 Mio. Euro) zeigt auch Wirkung auf die allgemeine Entwicklung des Biermarktes. „Es sind besonders die Trendsegmente Hell- und Spezialbiere, die das Umsatzwachstum der Gesamtkategorie Bier und Biermixgetränke treiben – gerade vor dem Hintergrund, dass das klassische Pils zurzeit zurückgeht“, ordnet Strobl die Entwicklung ein. „Trotzdem ist und bleibt Pils ein Klassiker und wird immer noch am meisten getrunken.“
Pils hat einen Absatzanteil von 50 Prozent, auch wenn der Anteil auf dem Markt sinkt. Gleiches gilt für Weizen und Exportbiere. Die Auswertung von Nielsen zeigt außerdem, mit welchen Produkten im ansonsten stark preisgetriebenen Biermarkt noch Wertschöpfung erzielt werden kann – nämlich mit hochpreisigen Spezialitäten und hellen Bieren, deren Umsatz stärker gestiegen ist als ihr Absatz. Strobl: „Die Deutschen sind hier sehr offen für Neues und greifen gerne tiefer in die Tasche, um sich etwas zu gönnen.“
Dosen erleben Comeback im Biersortiment
Als weiterer Trend hat sich 2016 die Halbliterdose mit einem Absatz von 3,5 Milliarden Dosen etabliert und damit im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um rund sechs Prozent zulegt. „Wir beobachten aktuell einen Imagewandel der Dose. Maßgeblich für diese Entwicklung sind auch die Neulistungen und Sortimentsausweitungen von Bier in Halbliterdosen in Discountern“, erklärt der Bier-Experte dieses Phänomen. Die Verbreitung der Dose ist aber auch eine Frage der Region. Besonders beliebt ist sie in Norddeutschland und Nordrhein-Westfalen.
Ein weiterer interessanter regionaler Unterschied lässt sich beim Absatz der verschiedenen Flaschengrößen feststellen, wenn diese einzeln verkauft werden, also zum Beispiel nicht im Kasten oder als Teil eines Sixpacks. In Ost- und Süddeutschland ist eher die Halbliterflasche gefragt, im Norden hingegen greifen die Konsumenten lieber zur 0,33-Liter-Flasche. Insgesamt wurden 2016 laut Nielsen rund 7,5 Milliarden Halbliterflaschen und 748.000 0,33-Liter-Flaschen einzeln verkauft.
Ob das laufende Jahr die Erwartungen der Brauer und Händler erfüllt, hängt vor allem von der Sommersaison ab. Sie ist die mit Abstand beliebteste Zeit für ein kühles Bier. Mit jedem sommerlich-warmem Tag erhalten Bier und Biermixgetränke einen Absatzschub. Nielsen-Experte Strobl empfiehlt dem Handel gerade jetzt eine große Angebotsvielfalt: „Im Augenblick kommt ein wichtiger Nachfrageimpuls vor allem durch die Individualisierung der Biere, die von den Spezialitätenbieren angestoßen wurde.“