Die richtige Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln

Mittwoch, 06. Dezember 2017

Antje Preußker, Wissenschaftliche Leitung des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL), im Interview

Frau Preußker, Nahrungsergänzungsmittel gehören rechtlich zu Lebensmitteln. Unterliegen sie damit bestimmten Werbebeschränkungen? 
Werbeaussagen, egal für welches Produkt, dürfen grundsätzlich nicht irreführend oder täuschend sein. Für alle Lebensmittel vom Apfel bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln gelten zudem strenge Vorgaben für die Auslobung von für die Gesundheit positiven Eigenschaften eines Nährstoffes. Die so genannte Claims-Verordnung stellt sicher, dass solche Angaben nicht willkürlich erfolgen. Eine gesundheitsbezogene Angabe darf nur dann verwendet werden, wenn diese wissenschaftlich geprüft und vom Gesetzgeber zugelassen wurde. Zudem muss der Nährstoff, auf den sich die gesundheitsbezogene Aussage bezieht, in ausreichender Menge in dem Produkt enthalten sein.

Was bedeutet das für das Alltagsgeschäft im Lebensmittelhandel oder in Drogerien?
Der Händler darf nur mit den nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben werben, die der Gesetzgeber zugelassen hat. Das ist immer zu beachten, egal ob die Aussage auf der Verpackung aufgebracht, in begleitenden Informations- beziehungsweise Werbematerialien aufgeführt ist, in eine Webseite aufgenommen oder im Rahmen einer Verkostung im Supermarkt verwendet werden soll.

Darf ein Händler beispielsweise Verkostungen anbieten oder Warenproben verteilen?
Ja, denn es gelten die gleichen Vorgaben wie für andere Lebensmittel auch. Allerdings sind Verkostungen für Nahrungsergänzungsmittel eher uninteressant, weil in der Regel nicht ihr Geschmack im Vordergrund steht, sondern ihr «Zweck». Und der ist immer die gezielte Ergänzung der täglichen Ernährung mit Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Stoffen wie sekundären Pflanzenstoffen. Dadurch leisten sie einen Beitrag zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung

 

Fit, schlank und schön

Vom Megatrend Gesundheit und Selbstoptimierung profitiert auch die Kategorie Nahrungsergänzungsmittel. Worauf es beim Erfolg am Point of Sale ankommt und welche Konzepte gefragt sind. Ein Marktüberblick.

Es sind Nährstoffe in konzentrierter Form, die die Ernährung ergänzen sollen. Und sie werden von den Deutschen als gesundheitsförderlich wahrgenommen: Nahrungsergänzungsmittel (NEM) boomen. Die Nachfrage nach den Kapseln, Tabletten und Pulvern ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen und hat ein Hoch von 165 Millionen verkauften Packungen erreicht. Die Marktforscher von QuintilesIMS haben auch die Absatzkanäle ausgewertet. Die am meisten genutzten Bezugsquellen sind Drogeriemärkte (36 %) und Offizin-Apotheken (34 %). 24 Prozent gehen im LEH über die Theke. Beim Umsatz liegt jedoch die Apotheke vorne. Sie beansprucht 67 Prozent des Kuchens für sich. 

Im Sommer zählt die Schönheit …

Nahrungsergänzungsmittel werden ganzjährig gekauft. Allerdings haben jahreszeitbedingt immer andere Produkte Hochkonjunktur. Ob als Konsequenz zur kalorienreichen Weihnachtszeit, im Rahmen von guten Vorsätzen für das neue Jahr oder in Vorbereitung für die anstehende Bikini-Saison – nach dem Jahreswechsel ist den Verbrauchern das Aussehen wichtig. Zunächst werden deshalb Abnehmprodukte gekauft, im Frühjahr sind dann Produkte für Haut, Haare und Nägel mit Wirkstoffen wie Hyaluron, Zink, Biotin und Carotin gefragt. «Wenn mit den ersten warmen Tagen ab April die Freizeitaktivitäten starten, beginnt die Saison für Magnesium», erklärt Julien Tischer, Marketing Manager für den Bereich Functional Nutrition bei Taxofit. Auch Calcium sowie die Kombiprodukte Magnesium-Kalium und Magnesium-Calcium ziehen dann zweistellig an. Von der wiedererwachten Fitness-Begeisterung profitieren auch die Proteinriegel und diätetischen Lebensmittel von Layenberger, wie das Unternehmen verrät. 

… im Winter die Gesundheit 

Hochsaison aber haben Nahrungsergänzungsmittel im Winter. «Die Umsätze zwischen September und Februar liegen 19 Prozent über denen der Monate März bis August», erklärt Harald Lingner, Director Commercial Strategy bei Merz Consumer Care. Haupttreiber sei das Erkältungssegment, dessen Umsätze sich in dieser Zeit verdoppeln. Von der dunklen Jahreszeit profitierten ausserdem beruhigungs- und stimmungsaufhellende Produkte auf Basis von Johanniskraut und Baldrian sowie Präparate mit Vitamin D. Viele Verbraucher möchten dem Risiko einer Unterversorgung mit dem Sonnenvitamin entgegenwirken, da es nur mit genügend Licht in der Haut gebildet wird – im Winter kommt die Eigenbildung zum Erliegen. Dieser Ansatz ist sogar in grossem Massstab als Public-Health-Massnahme denkbar. Food Supplements Europe, die Interessenvertretung der europäischen NEM-Hersteller, haben ausrechnen lassen, dass eine breite Supplementierung mit Calcium und Vitamin D allein in Deutschland jährlich mehr als eine Milliarde Euro durch die Vermeidung von osteoporosebedingten Knochenbrüchen einsparen könnte. «Nahrungsergänzungsmittel können gesellschaftlichen Nutzen stiften. Obwohl die Nährstoffversorgung im Schnitt in Deutschland gut ist, gelingt es nachweislich nicht allen, ihren Nährstoffbedarf an Calcium und Vitamin D durch eine ausgewogene Ernährung zu decken», kommentiert Christoph Minhoff, BLL-Hauptgeschäftsführer. Sogar die Deutsche Gesellschaft für Ernährung legt besonderen Risikogruppen die Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel ans Herz (siehe Tabelle). 

NEM werden mobil 

Die Hersteller arbeiten mit Hochdruck daran, ihre Produkte noch besser auf die Bedürfnisse ihrer Käufer anzupassen. Conveniente Darreichungsformen wie Trinkfläschchen oder Sticks beziehungsweise Sachets mit Granulaten ermöglichen einen Ausser-Haus-Konsum und sind speziell für die mobile Gesellschaft interessant. Taxofit hat Vitamin D3 in flüssiger Form auf den Markt gebracht, die sich individuell dosieren lassen. Zudem kommen immer mehr Wirkstoffe wie Vitamin D3, Magnesium, Selen Laktase oder Omega-3-Fettsäuren hochdosiert daher. Auf der anderen Seite sind sanfte und natürliche Wirkstoffe wie Flohsamen, Heilerden, Propolis oder Honig ein Trendthema. 

Und in Zukunft? Harald Lingner kann sich eine Reihe spannender Innovationen vorstellen. «Dem ganzheitlichen Schönheitstrend folgend werden Produkte kommen, die eine Scharnierfunktion zwischen Kosmetik und Gesundheit einnehmen und von innen und von aussen wirken», sagt er. Darin würden beispielsweise topische Mittel aus dem Kosmetikbereich mit systemischen Produkten auf Basis von Hyaluron, Kollagen, Kieselerde und Biotin kombiniert. «Bei Erkältungsprodukten werden die Themen Abwehrstärkung und Vorbeugung relevanter. Allerdings suchen immer mehr Verbraucher nach sanften, aber trotzdem wirksamen Alternativen.» In einem ist er sich in jedem Fall sicher: «Schon jetzt bietet der Mass Market viele Produkte an, die auf Augenhöhe mit den Apothekenprodukten sind.»

 

 

News

Foto: Stefanie Brückner

Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

Foto: Ben Pakalski

Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Info

Gründe für die Einnahme von Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln – ein europaweiter Vergleich 

Mir wurde von einem Arzt/ Heilpraktiker dazu geraten:

  • Frankreich: 33 % 
  • Deutschland: 28 %
  • Italien: 38 %
  • Spanien: 40 %

Ich möchte mehr von einem bestimmten Vitaminpräparat nehmen, um meine Gesundheit zu verbessern:

  • Frankreich: 24 %
  • Deutschland: 23 %
  • Italien: 21 %
  • Spanien: 18 %

Ich möchte mein psychisches Wohlbefinden verbessern: 

  • Frankreich: 16 %
  • Deutschland: 23 %
  • Italien: 21 %
  • Spanien: 16 %

Quelle: Mintel, 12/2016

 

Info

3,1%

betrug das durchschnittliche Umsatzwachstum für Nahrungsergänzung/OTC in den vergangenen fünf Jahren. Am stärksten legten Mittel für Magen/Verdauung (+6 %), Erkältungsmittel (+5 %) sowie Vitamine/Mineralstoffe (+4 %) zu. Im aktuellen Jahresverlauf verzeichnen Produkte für Aufbau/ Stärkung den höchsten Umsatzzuwachs (+16 %), gefolgt von Erkältungsmitteln (+6 %) und Vitaminen/Mineralstoffen (+6 %). Der Drogeriemarkt ist mit 51 % Marktanteil die stärkste Einkaufsstätte, während die Vollsortimenter mit 8 % ein noch vergleichsweise kleines Segment darstellen. Dafür können sie mit einem Umsatzzuwachs von 13 % am meisten von der positiven Entwicklung der Nahrungsergänzung profi tieren. 

Quelle: GfK

 

Tipps

Wie sich Nahrungsergänzungsmittel optimal vermarkten lassen:

Beate Reinemann, Head of Customer Marketing Retail, Klosterfrau: 
«Optimale Platzierung und zielgruppengerechte Werbung wie POS-Radio oder Handzettel mit Qualitätsbeitrag bringt die Warengruppe in den Fokus der Verbraucher. Das ist wichtig, denn Vitamine und Mineralstoffe werden häufig habitualisiert im wöchentlichen Grosseinkauf erworben. Dennoch sind die Shopper nicht festgefahren. Mehr als die Hälfe aller Shopper planen zwar die Warengruppe, aber nicht genau, welches Produkt sie kaufen werden. Verschiedene Packungsgrössen, Darreichungsformen sowie ein breites Produktsortiment sind daher für den Handel unerlässlich, um den Ansprüchen des Shopper gerecht zu werden und die Kompetenz für Gesundheitsprodukte auszubauen.» 

Harald Lingner, Director Commercial Strategy, Merz Consumer Care: 
«Zweitplatzierungen informieren den Shopper über Neuprodukte und das Bestandssortiment und erreichen diejenigen, die nicht den Weg ans Regal finden. Gleichzeitig steigern sie die Relevanz und Kompetenz der Einkaufsstätte für Gesundheitsprodukte. Solche zusätzlichen Touchpoints können durch Verbundkäufe wie die Platzierung von Nasensprays bei Papiertaschentüchern zusätzliche Umsätze bringen. Am Regal sollte der Händler einer strukturierten Anordnung nach Shopper-Bedürfnissen folgen: Eine klare Einteilung in die Segmentblöcke Erkältung, Wohlbefinden, Schönheit von innen und Vitamine & Mineralstoffe, die Platzierung von Ankermarken sowie der Einsatz eines farbigen Leitsystems erleichtern dem Shopper die Orientierung am Regal. Hinweisschilder weisen auf Neuheiten hin. Das erhöht den Warenkorb der Shopper und reduziert Kaufabbrüche.»

Knud Cordes, Leiter Marketing, Zirkulin Naturheilmittel:
«Wenn es um die Gesundheit geht, ist der (oftmals ältere) Kunde unsicher in seiner Entscheidung und sieht bei Zweifeln eher vom Kauf ab. Diese Erkenntnis sollte sich in der Warenpräsentation widerspiegeln. Das OTC-Sortiment benötigt eine hochwertige, aber vor allem eine Vertrauen vermittelnde Art der Warenpräsentation. Neben den Klassikern gehören die neuesten Darreichungsformen und die wichtigsten Trendwirkstoffe wie Produkte mit Manuka-Honig, Indische Flohsamen oder Propolis in das OTC-Regal. Saisonale Zweitplatzierungen können für Extraimpulse sorgen.»

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 «Immun Duo Direkt Granulate» von Taxofitbeinhaltet zwei verschiedene Granulate, die zu unterschiedlichen Zeiten ihre Wirkstoffe abgeben.

«Zirkulin Sirup» enthält neuseeländischen Manuka-Honig.

«Tetesept Proflora Darm Aktiv-Kulturen Kapseln» enthalten Milchsäurebakterien, darmgesunde Nährstoffe sowie Inulin zur Versorgung der Milchsäurebakterien.

«Schönheitsschlaf» enthält eine Nährstoff-Kombination, die den nächtlichen Regenerationsprozess unterstützen soll.