Tosin A. David, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Tosin David | Services Hannover, im Interview
Wie bringt man den Kunden an die Theke und bewegt ihn zum Kauf?
Beim Kauf spielen Faktoren wie Neugier, Erlebnis, Moral, Gesundheit und Spass eine Rolle. Kochen und Essen ist Lifestyle, diesen Trend sollte sich das Personal zunutze machen. Kleine Verkostungen, Produktvorführungen und emotional gestaltete Aktionstafeln und Werbung führen den Kunden zur Käsetheke. Dort angekommen braucht der Kunde Informationen rund ums Produkt, Beratung und Service. Die Kunden haben in einer von Medienskandalen geprägten Welt viele Fragen zum Produkt und freuen sich über Antworten sowie Tipps, Rezepte- und Verzehrideen. Um Zusatzkäufe anzuregen, dürfen Kunden auch auf weitere Produkte hingewiesen werden, beispielsweise passende Weine, Trauben, Saucen.
Welche Rolle spielen dabei die Produkte, welche die Thekenkräfte?
Die Produkte können nicht sprechen – Verkäufer aber schon. Deshalb muss ihnen das Thekenpersonal die Stimme leihen und ihre Vorzüge anpreisen. Ausserdem gibt eine gezielte Beratung dem Kunden das Gefühl, wichtig zu sein und steigert sein Wohlgefühl. Das ist für den Verkaufserfolg entscheidender als die als selbstverständlich erachtete Qualität und der Preis.
Welche Rolle spielt bedientes Verkaufen heute?
Der moderne Konsument sucht Wohlbefinden. Es geht nicht mehr nur darum, das Bedürfnis nach Essen zu stillen, sondern dem Kunden ein Erlebnis zu bieten. Geschichten, nützliche Infos rund um die Produkte, Empfehlungen und ein freundlicher, persönlicher Kontakt sind hier ausschlaggebend. Mit Hilfe von emotionaler Kommunikation und Sprache, die verkauft, geben engagierte Verkäufer ihren Kunden in Form ihrer Produkte gute Gefühle mit auf den (Heim-)Weg. Somit wird bedientes Verkaufen zur Schlüsselrolle. Denn zwischen Produkt und Preis steht immer der Mensch.
Wie ticken Konsumenten heute?
Der Kunde ist informiert, aufgeklärt und findet (fast überall) ein passendes (Vergleichs-) Angebot. Er leidet oft unter Zeitmangel, ist gestresst und von der Werbung reizüberflutet. Auf den ersten Blick erscheint der Online-Handel eine attraktive Alternative zu sein, um seine Bedürfnisse schnell, unkompliziert und zielorientiert zu befriedigen. Was bei Kleidung, Bücher, Elektronik, Schmuck & Co. funktioniert, erfährt seine Grenze beim Online-Kauf von Lebensmitteln. Kunden sind es gewöhnt, in der Filiale einzukaufen und bevorzugen es, Lebensmittel anzufassen. Erst dann landet die Ware im Einkaufswagen. Zudem ist das Rückgaberecht ein Hindernis. Kunden lassen sich daher aus den Lebensmittel-Shops im Internet häufig nur Getränke und schwere Kartons liefern.
Sie sagen, dass jeder Unternehmer seine Nische finden muss. Welche lässt sich an der Käsetheke besetzen?
Zunächst muss die Nische mit Hilfe einer detaillierten Ist-Analyse der eigenen Situation und der der Mitbewerber gefunden werden. Stellen Sie sich vor Ihre Theke und sprechen Sie mit Ihren Kunden. Häufig ist der Handel zu sehr auf Umsatz fokussiert. Viel wichtiger ist es aber, sich auf das Einkaufs-Erlebnis für den Kunden zu fokussieren und damit positive Mund-zu-Mund-Propaganda in Gang zu bringen. Präsentieren Sie Ihr Produkt in dem Licht, in dem es der Kunde sehen will und schaffen Sie damit Anziehungskraft.
Siehe auch Interview mit Christian Pelka, SCM unten in der Randspalte
Mehrwerte für die Theke
Anfang 2016 hat Nielsen noch rund 14 000 Käsetheken in Deutschland gezählt, Ende 2017 waren es hingegen nur noch 12 800. Ein Grund für die abnehmende Anzahl der Käsetheken sind laut dem Marktforschungsinstitut die permanenten Abschmelzungsprozesse im Filialnetz der Supermärkte. Dies bestätigt auch Christian Pelka, Sales Promotion Manager bei Switzerland Cheese Marketing (SCM): «Der Abbau findet nach unseren Kenntnissen auf Kleinflächen unter 800 Quadratmetern statt.» Ein weiterer Grund ist der Kunde, der wohl lieber ins SB-Regal greift.
Fokus auf Premium-Qualität
Naht also das Ende der Bedientheke? Nein – und darin sind sich die Hersteller von Käsespezialitäten alle einig. Allerdings muss dies auch etwas differenziert betrachtet werden. «Wir sehen diese Entwicklung als Survival of the fittest», erklärt dazu Katharina Enzmann, Trade-Marketing-Leiterin bei Emmi. In dem Kontext spielt der Kunde eine nicht unwesentliche Rolle. «Der Verbraucher will zwar seine Bedürfnisse schnell und unkompliziert befriedigen, andererseits aber auch beim Einkauf seine Neugier gestillt und ein Erlebnis geboten bekommen», erklärt die Unternehmensberaterin Tosin A. David. «0-8-15-Theken» funktionieren daher längst nicht mehr. «Heute werden die Märkte mit ansprechenden Frischetheken ausgestattet, in denen Premium-Qualität auf dem Vormarsch ist», sagt Jan Roelofs, Managing Director bei Beemster. Damit könne sich der LEH vom Discounter abheben – zum einen über das viel grössere Sortiment, zum anderen über die Bedienung und Beratung.
Kundenorientiertes Sortiment
Die Kunst besteht nun darin, den Verbraucher an die Käsetheke zu locken. Hierzu ist nicht nur eine kundenorienierte Sortimentspolitik gefragt, sondern auch qualifiziertes Verkaufspersonal. «Über die emotionale Ansprache und den Aspekt Genuss, den der Kunde über die Verkostung erfährt, lässt sich Käse erfolgreich an der Theke verkaufen», so Pelka. Über die kulinarische Ausstrahlung könne das Verkaufspersonal mit dem Kunden sozusagen interagieren. Insofern gilt es also, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers zu gewinnen. «Hierzu müssen Industrie und Handel zusammenarbeiten, um attraktive Mehrwertkonzepte anzubieten», sagt Ioana Vrabie, Senior Brand Manager bei Friesland Campina. «Erlebnis-Shopping » lautet hier das Stichwort. Das Zusammenspiel aus Themensortimenten, Regionalem, Spezialitäten, Verkostungen und Storytelling sorgt dabei für die nötige Impulskraft und Aufmerksamkeit.
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